Münchner Philharmoniker: Hier ist das Positive, das alle suchen

München - Als Spezialitäten des Orchesters der Stadt gelten das Pathetisch-Erhabene von Anton Bruckner, die gepflegte Melancholie von Johannes Brahms oder die pompöse Opulenz von Richard Strauss.
Wayne Marshall auf den Spuren des Jazz in der Musik des 20. Jahrhunderts
Und weil - einem Wort von Franz Schubert zufolge - alle große Musik traurig ist, haben die Münchner Philharmoniker nur selten Gelegenheit, gute Laune zu verbreiten.
Die gab's nun dafür geballt, zwei Stunden lang und völlig ungetrübt unter Leitung des Briten Wayne Marshall. Er spürte Spuren des Jazz in der Musik des 20. Jahrhunderts nach: bei Leonard Bernstein, Dmitri Schostakowitsch, Darius Milhaud und Eduard Künneke.
Wobei das mit den Jazz-Spuren durchaus doppeldeutig zu verstehen ist. In Bernsteins drei Tänzen aus "On the Town" darf sich die Klarinette ein paar schmutzige Klänge erlauben. Das war's. Sonst beschränkt sich der Jazz-Anteil auf den gleichnamigen Besen des Schlagzeugers, Rhythmen aus seinerzeitiger Unterhaltungsmusik und Saxophon im Orchester und als Solo-Instrument.
Oberstimmenmelodik soll ungetrübte Lebensfreude transportieren
Auf Bernsteins schmissigen Großstadt-Schwung folgte die Suite für Varieté-Orchester von Dmitri Schostakowitsch mit dem durch Stanley Kubricks Film "Eyes Wide Shut" bekannt gewordenen "Walzer Nr. 2". Die groß besetzten Streicher gossen viel Klangsauce über die von den Bläsern servierte Hauptspeise.
Der Dirigent versuchte auch hier, ungetrübte Lebensfreude durch Oberstimmenmelodik zu verbreiten. Seine Kollegen mit osteuropäischem Hintergrund interpretieren den Walzer und die ganze Suite durch demonstrative Hervorhebung von Nebenstimmen und ein stählern strenges Tempo viel zweideutiger, wodurch Beziehungen zu den Symphonien des Komponisten hervortreten, für die sich Wayne Marshall überhaupt nicht interessierte.
Nach der Pause gab's höchst erfreuliche Raritäten. Jess Gillam, die davor und danach auch im Orchester mitwirkte, interpretierte die "Scaramouche"-Suite von Darius Milhaud für Saxophon und Orchester: mit einer singenden Klangkultur und frei von ordinären Tönen, die ihrem Soloinstrument schnell einmal entfleuchen.
Selten gelöste Stimmung in der Isarphilharmonie
Zuletzt dann die "Tänzerische Suite" von Eduard Künneke. Bei diesem Stück konzertiert eine sehr brave, ins Orchester integrierte Jazzband mit den übrigen Musikern. Das Stück ist zwar im Vergleich mit Milhaud oder gar Schostakowitsch ausgesprochen harmlos und ohne jeden doppelten Boden. Aber der ungebrochen naive Schwung und der Unterhaltungsorchester-Sound reißen mit und sorgten in der Isarphilharmonie für selten gelöste Stimmung.
Wer eine satte Dosis ungetrübten Frohsinns braucht - und wer hat das in diesen Tagen nicht nötig - für den gibt es eine gute Nachricht: Das Konzert wird am heutigen Samstag ein letztes Mal wiederholt.
Noch einmal am heutigen Samstag (5. Februar), 19 Uhr, in der Isarphilharmonie, Restkarten an der Abendkasse.