Kritik

Münchener Kammerorchester eröffnet neue Saison: Keine Gefangenen

Das Münchener Kammerorchester eröffnet seine neue Saison im Prinzregententheater.
Michael Bastian Weiß |
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Das Münchner Kammerorchester ist zurück im Prinzregententheater.
dpa 2 Das Münchner Kammerorchester ist zurück im Prinzregententheater.
Clemens Schuldt ist Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters.
Marco Borggreve 2 Clemens Schuldt ist Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters.

München - Der Saal ist voll, allseits herrscht gute Laune, am Schluss gibt es sogar stehende Ovationen: Nach einer langen Zeit, in der pandemiebedingt nur in Ausweichräumen konzertiert werden durfte, kehrt das Münchener Kammerorchester nun endlich in das Prinzregententheater zurück - und es hat sich offenbar immens viel Energie angestaut.

Beim Saison-Auftakt macht Schuldt keine Gefangenen

Anders ist die Affektgeladenheit, mit der die Musiker dann loslegen, auch nicht zu erklären. Wenn Clemens Schuldt klassische Werke dirigiert, neigt er ja generell schon nicht zur Zurückhaltung. Beim Auftakt zur Saison aber macht er gar keine Gefangenen. In der Ouvertüre zur Oper "Die Königin der schwarzen Inseln" von Anton Eberl stürmt und drängt es, als sollten die Corona-Albträume ein für allemal weggefegt werden. Die Streicher werfen ihre Bögen aggressiv auf die Saiten, die große Bläserbesetzung fährt mit scharfen Akkorden dazwischen: ein einziges Furioso.

Clemens Schuldt ist Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters.
Clemens Schuldt ist Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters. © Marco Borggreve

Allein in Bezug auf seinen Kräftehaushalt ist es bemerkenswert, wie Schuldt ein derart kompromissloses Musizieren auch durch die vier Sätze der Symphonie Nr. 1 C-Dur von Ludwig van Beethoven durchhält. Mit nervös zuckender Gestik wird er nicht müde, jedes der vielen Sforzati als Explosion zu zünden, jedes Piano nur als Beginn eines steilen Crescendos aufzufassen, kurz gesagt: durchgehend Vollgas zu geben. Das macht zwar Eindruck, ist aber auch einseitig. Und laut.

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Gleichzeitig stellt sich die Frage, warum Schuldt mit dem Münchener Kammerorchester für die zeitgenössischen Werke eine Klangsensibilität erarbeitet, die er den Klassikern nicht gewährt. Das gleichbleibende Gewebe aus verschiedenen Streichereffekten, mit dem der englische Komponist Thomas Adès seine Etüde über ein Seemannslied "Shanty - Over the Sea" bestreitet, wird in dieser deutschen Erstaufführung sorgfältig geknüpft. In "Lieux retrouvés" von Adès, einer Art Violoncellokonzert, ergeben sich starke Kontraste zwischen dem geradezu zitternden Vibrato des Solisten Steven Isserlis und der in pastellene Farben abgedämpften Begleitung durch das MKO. Übrigens, weil aus der Nachbarschaft des Rezensenten einige Fragen kamen: Die Zugabe, die Isserlis spielte, war "Song of the Birds" seines legendären cellistischen Kollegen Pablo Casals.


Eine Aufzeichnung des Konzerts kann man am 1. Dezember um 20 Uhr auf BR-Klassik hören

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