Mr. Grand Prix: Ralph Siegel wird 70
München - In der Biografie, die Ralph Siegel gerade auf den Markt gebracht hat, fällt der Begriff zumindest gefühlt auf mindestens jeder fünften Seite: "Grand Prix". Der Liederwettbewerb, der heute Eurovision Song Contest heißt, hat das Leben des Komponisten jahrzehntelang bestimmt. Am Mittwoch (30. September) wird Siegel 70 Jahre alt. In seinem Buch schreibt er: "Die Grand-Prix Medaille für "Ein bißchen Frieden" ist immer noch eine meiner schönsten."
Dutzende Male schrieb Siegel Songs für den Grand Prix, trat in unzähligen Vorentscheiden nicht nur in Deutschland an. Nur einmal schaffte er es bekanntlich auf Platz eins: 1982 mit der damals noch weitgehend unbekannten 17-jährigen Nicole und "Ein bißchen Frieden". Das machte die Sängerin und den gebürtigen Münchner lange Zeit zu den einzigen Deutschen im Olymp des Wettbewerbs.
Siegel schrieb ein Lied für Lena - Raab lehnte ab
Die Zeiten sind heute längst vorbei. Für junge Leute ist der ESC heute Stefan Raab, Lena Meyer-Landrut, vielleicht noch Guildo Horn - aber eben schon lange nicht mehr Ralph Siegel. Dass ihm diese Entwicklung wehgetan hat, daraus machte der Komponist keinen Hehl. Nach Lenas Sieg sagte er der "Bild am Sonntag": "Nettes Mädchen, das beweist, dass man auch mit einer kleinen Stimme den Grand Prix gewinnen kann."
Wie schwer es ihm fiel zu akzeptieren, dass er im deutschen ESC-Geschäft nur noch eine untergeordnete Rolle spielte, zeigt, dass er - trotz angeblich "kleiner Stimme" - damals ein Lied für Lena geschrieben hat, wie er 2011 sagte. "Aber das wurde - wie alles, was ich mache - bei Raab immer abgelehnt". Das Lied hieß "I'll Follow the Sunshine" - "Ich folge dem Sonnenschein."
Siegel-Biografie voller Lob für Raab
Bei der Vorgeschichte ist überraschend, wie freundlich Siegel in seiner Biografie mit Raab umgeht: "Irgendwann tauchte Stefan Raab auf, der damals schon bei VIVA und TV Total mehr als bewies, "Hans Dampf in allen Gassen" zu sein", schreibt er auf Seite 357. Was folgt, ist eine knappe Zusammenfassung von Raabs Karriere - kleine Lobhudeleien inklusive. "Die Power, mit der er jeden Abend "TV Total" moderierte, war unglaublich."
Über Guildo Horn, "Alf Igel", Raabs gezielte Provokation und die Medien, die damals begeistert auf die Geschichte aufsprangen, schreibt Siegel schlicht: "So wahnsinnig komisch fand ich in diesem Moment das gesamte Schauspiel ehrlich gesagt nicht." Und: "Deutschland war in Stefans Hand, und so suchte ich neue Wege." Dann beschreibt er, wie er für Malta in die ESC-Schlacht zog.
Arbeit gegen Gesundheitsprobleme: Hörstürze und Prostatakrebs
"Du hast in Deinem Buch, obwohl Du viel Grund gehabt hättest, mit niemandem eine harsche Abrechnung gemacht. Es gibt keine bösen Worte", sagt Moderatorin Sabine Sauer, die die Buchpräsentation Anfang September im Münchner Verlagshaus moderierte. "Das zeugt von Größe."
Und so erzählt Siegel in seiner Biografie vor allem, was er erlebt hat in seinem langen Musikerleben. Von einem Grand Prix nach dem anderen erzählt er und auch von seinen drei Ehefrauen - Dunja, Dagmar, Kriemhild. Vor allem aber erzählt er die Geschichte eines Workaholics, der im Zweifel auch seine Gesundheit der Karriere opferte. Zwei Hörstürze habe er gehabt, 2007 erkrankte er an Prostatakrebs. "Leben oder sterben" heißt das Kapitel. Die Musik habe ihm bei der Bewältigung seiner Krankheit geholfen, sagt Siegel.
Produzent von großen Klassikern: "Abschied ist ein bisschen wie sterben" oder "Griechischer Wein"
Schon als Kind war es die Musik, die den Sohn des Komponisten Ralph Maria Siegel und der Operetten-Sängerin Ingeborg Döderlein antrieb. Er spielte Schlagzeug, Akkordeon, Gitarre, Klavier und schrieb schon als 14-Jähriger Kompositionen. 1964 hatte er seinen ersten größeren Erfolg im Musikbusiness: "It's A Long Way To Georgia" mit Sänger Don Gibson schaffte es auf Platz acht in den US-Charts. Es folgten Hits für bekannte Künstler wie Katja Ebstein ("Abschied ist ein bisschen wie sterben"), Udo Jürgens ("Griechischer Wein"), Heino oder Costa Cordalis.
Siegel sorgt sich um junge Komponisten: Markt muss größer sein
Heute macht Siegel sich Sorgen um den Komponisten-Nachwuchs - weil er glaubt, dass es zu wenig deutsche Musik gibt. Es ist ein Mantra, das er schon seit Jahren vor sich herträgt und auch nicht aufgibt, wenn ein ganzes Land dank Helene Fischer "atemlos" ist. Der Markt müsse aber noch viel größer sein, fordert Siegel. "Wir haben ein 80-Millionen-Land und eine Radiolandschaft mit 500 Sendern." Und kaum einer davon spiele deutschsprachige Musik. Hierzulande könnten Nachwuchs-Songschreiber nur selten von ihrer Arbeit leben, sagt Siegel. "Das gesamte Land muss in seiner Muttersprache präsent sein, und das sind wir nicht mehr."