Mit Mariss Jansons in der Elbphilharmonie
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks spielt als erster Klangkörper aus München in der Elbphilharmonie
Noch immer stehen die Leute Schlange, um von der Plaza auf Hamburg und den Hafen zu schauen. Auf der spektakulären Rolltreppe geht es zu wie am Marienplatz zur Hauptverkehrszeit. Ein Hamburg-Besuch ohne Elbphilharmonie ist derzeit undenkbar. Sogar für Staatsgäste gilt das: Am 7. Juli werden Donald Trump, Wladimir Putin und andere Politiker beim G20-Gipfel ein Konzert des Philharmonischen Staatsorchesters unter Kent Nagano hören.
Vorher war nun das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks da – als erstes Orchester aus München. Mariss Jansons dirigierte ein optimal zur etwas speziellen Akustik passendes Programm: im Zentrum Thomas Larchers „A Padmore Cycle“ mit dem Widmunsgträger, dem britischen Tenor Mark Padmore. Gerahmt wurde die filigrane, meist lyrische Musik mit vielen zarten Klangeffekten von der Orchestervirtuosität der Symphonie Nr. 1 von Dmitri Schostakowitsch und Maurice Ravels „La Valse“.
Ohne die Wärme von Vinyl
Bei Larcher und auch bei Ravel waren zarte Klangmischungen mit einer hochdifferenzierten Trennschärfe zu hören, wie es weder im Münchner Gasteig noch im Herkulessaal der Fall ist, wo alles im Ungefähren zu verschwimmen droht. Mit Mittelmaß sollte man in Hamburg nicht aufwarten: Die Elbphilharmonie ist ein Saal für Orchesterperfektion. Der Sound erinnert an eine audiophile Hochleistungs-Hifi-Anlage. Klingt aber immer kalt nach CD, ohne die Wärme von Vinyl.
Das bestätigten auch die Musiker. Ein Geiger bezeichnete den Klang „kristallin“, er vermisste aber auch den „Zauber“. Mariss Jansons mahnte bei der wie üblich 45 Minuten dauernden Einspielprobe die Posaunisten zu etwas mehr Diskretion und bat um etwas mehr Volumen beim Pianissimo. Bei diesen Anmerkungen des Chefs blieb es, und das Vertrauen in die hochspezialisierte Mannschaft lohnte sich. Selten hat man das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks brillanter und spritziger gehört.
Zuwachs beim Publikum
Ob Brahms in dem Saal ähnlich gut funktioniert? Generalintendant Christoph Lieben-Seutter meint, dass klassische Moderne in der Elbphilharmonie besonders gut ankäme, weil der Bau das Publikum anders auf Musik einstimme als die neobarocke, plüschige Laeiszhalle. Wagner klinge hier wie seziert. Und wer hier dirigiere, sollte ein Gespür für Klang und Saal-Akustik haben.
Lieben-Seutter erwartet eine Verdreifachung des Klassik-Publikums auf 1,3 Millionen Besucher in beiden Hamburger Sälen durch den Neubau – und zwar weniger durch Touristen, sondern durch die Erweiterung des örtlichen Stammpublikums. Derzeit sei ohnehin alles ausverkauft. Das Chicago Symphony Orchestra, die Berliner und Wiener Philharmoniker sowie die Staatskapelle Dresden waren schon da. Das BR-Symphonieorchester kehrt in der kommenden Saison für drei Konzerte zurück, die Münchner Philharmoniker unter Valery Gergiev und das Bayerische Staatsorchester mit Kirill Petrenko werden folgen.
Wenn gesungen wird, sollte man auf den Platz achten
Manfred Wutzlhofer und andere Vertreter des Vereins „Konzertsaal München“ saßen auf Plätzen hinter dem Orchester. Wutzlhofer erklärte Jansons im Dirigentenzimmer, dass er Mark Padmore nicht besonders gut gehört habe. Orchester sind die Gewinner der Weinbergform des Konzertsaals nach dem Vorbild der Berliner Philharmonie. Wer vor dem Sänger sitzt, hört ideal, ein Viertel des Publikums sieht den Rücken und darf sich die Nuancen des Gesangs zurechthören.
Lieben-Seutter kennt das Problem natürlich auch, aber er spielt es geschickt herunter. Nachbesserungen an der von Yasuhisa Toyota entworfenen Akustik sind derzeit (angeblich) nicht geplant. Der auch für die Gasteig-Sanierung und den Neubau im Werksviertel favorisierte Japaner hört viele Konzerte in der Elbphilharmonie und war auch beim Gastspiel des BR-Symphonieorchesters anwesend. Mariss Jansons äußerte nach dem Konzert nur ein knappes „gut“ zum Saal. Und meinte: „Müssen wir analysieren!“. Lieben-Seutter gibt noch einen unerlässlichen Tipp auf die Rückreise nach München mit: „Beim Bau nicht sparen!“. Es müssen ja nicht gleich 866 Millionen sein wie in Hamburg.