Mit leichter Verspätung
Die posthume Uraufführung von André Tchaikowskys Oper "Der Kaufmann von Venedig" im Bregenzer Festspielhaus
Einer, der versuchte, gegen den Strom zu schwimmen, was auch mit dem persönlichen Schicksal zu tun hatte: Robert Andrzej Krauthammer wurde 1942 als Siebenjähriger unter seinem späteren Namen André Tchaikowsky aus dem Warschauer Ghetto geschmuggelt. Als Pianist war er gleichermaßen gefürchtet wie bewundert. Den Dirigenten Fritz Reiner brüskierte er, als er bei einer Schallplattenaufnahme eines Mozart-Konzerts en passant einräumte, das Stück vom Blatt zu spielen, weil er es nicht kennt. Mit 47 Jahren verstarb er an Krebs, nicht ohne zuvor seinen Schädel der Royal William Shakespeare Company vermacht zu haben: „ Es wäre eine große Freude für mich, wenn ein jüdischer Schädel im Hamlet herumgeistert.“
Mit dem Klavierspiel hielt sich André Tchaikowsky über Wasser. Die Liebe aber galt dem Komponieren. Nun wurde im Festspielhaus Bregenz seine einzige Oper, „Der Kaufmann von Venedig“, uraufgeführt. Das Aufeinanderprallen von christlichem und jüdischen Grundsätzen, alttestamentarischer Strenge und der unausweichlichen Doppelmoral neutestamentarischer Gnade – all´ dies bot ihm anscheinend genügend Anreiz für ein musikalisches Abenteuer.
Als Vorbilder wählte sich der Pole Alban Berg und Claude Debussy. Die Wiener Symphoniker unter Erik Nielsen realisierten die Schattierungen und Klangfarben bravourös, konnten aber die Schwächen der Partitur nicht kaschieren. Den Einfällen fehlt es am Timing, an Spannung und Fantasie. Alles hat man in anderer Umgebung schon einmal gehört.
Keith Warners Regie war in der Gerichtsszene, in der Shylock darauf besteht, dass ihm laut Vertrag ein Pfund von Antonios Fleisch zustehe, am stärksten. Da ließ sich für Momente packende Bühnen-Dramatik genießen, auch weil die Musik endlich einmal aus dem Versteck wohldosierter Harmlosigkeit ausbüchste.
Ansonsten hielt sich die Szene zurück – der DVD - Mitschnitt mag den einen oder anderen spontanen Eindruck später korrigieren. Unter den Sängern ragte Adrian Eröd als Shylock hervor.
Vor vielen Jahren hatte der scheidende Bregenz-Chef David Pountney das Stück schon einmal abgelehnt. Bei aller Bewunderung für den Pianisten André Tchaikowsky: Seine Entscheidung damals war wohl richtig.
Weitere Vorstellungen am 21. und 28.Juli, jeweils 11 Uhr.
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