Mit dickem Kloß im Hals und Tränen in den Augen: Sarah Connor spielt besonderen Song auf Tollwood

München - Gleich die erste Ansage hatte ihren eigenen Zündstoff. Eigentlich habe sie nach 250 gespielten Shows keine Lust mehr, immer das Gleiche zu machen, rief Sarah Connor ins ausverkaufte Tollwood-Zelt. Erschrockene Gesichter im Publikum. Doch Connor ist eine Art Briefträgerin des deutschen Pops: Sie liefert trotzdem ab.
Eine coole Mischung aus ZDF-Fernsehgarten, Gospelkonzert und Schützenfest in Delmenhorst wurde kombiniert mit 20 Jahren Erfahrung und starker Stimme. Die wahrscheinlich beste deutsche Pop-Sängerin rührte dabei ihre Fans mit einer Gänsehaut-Aktion zu Tränen und musste selbst kämpfen, einen ganz besonderen Song zu Ende zu bringen.
Sarah Connor: "Wir machen die Lieder, die ihr kennt, aber halt anders"
Mit diesem Satz kam sie im schwarzen Oversize-Shirt mit dem Songtitel ihres größten Hits "From Sarah With Love" auf die Bühne. Ihre sonst so glatt gebügelten, radiotauglichen Songs wurden von einer tollen Band ordentlich aufgemöbelt. Gerade Saxofonist Jakob Manz stach durch frische Soli heraus und heizte das Zelt bei den ersten – noch verhaltenen Klängen – bei "Blau" oder "Ich wünsch dir" an.
Die Delmenhorsterin ließ durchblicken, dass sie gerne mal etwas anderes machen würde als ihre typischen Singer-Songwriter-Songs mit Herzschmerz: "Wenn es nach mir ginge, würden wir zwei Stunden 90er-Jahre R'n'B spielen. Aber ihr wollt ja auf eure Kosten kommen", rief sie, um gleich danach den nächsten Hit "Dazwischen sind wir Freunde" mit Blechbläsern und Gospel-Sound zu verfeinern.
Duett mit Überraschungsgast Johannes Oerding
Besagter Soundeffekt war im Tollwood-Zelt manchmal zu scharf gewählt und amerikanisierte die guten deutschsprachigen Texte. Feinfühlige Zeilen über den Zustand der Welt oder der Liebe wurden dann zusammen mit den Background-Sängerinnen fast niedergebrüllt und niedergeklatscht. Schade drum.
Immer wieder zog es sie zu den unkonventionellen Pop-Songs zurück, die Fans und Radiostationen mit Kusshand annehmen und die sie seit über 20 Jahren erfolgreich sein lassen. "Das Leben ist schön" als starke Akustik-Version auf einem Barhocker und ein Duett mit Überraschungsgast Johannes Oerding ("Bonnie & Clyde") zeigten ihre Klasse als Pop-Queen.
Dann brach sie aus den Normen aus, indem sie Coverversionen einstreute. Mit ihrem zweiten Gast Kelvin Jones spielte sie "When Love Comes To Town" von B. B. King und U2 in einer Gospel-Version. "Sleeping Satellite" von Tasmin Archer oder "Can't Hold Us" von Macklemore & Ryan Lewis wurden zusammen mit ihren Frühwerken "Let's Get Back to Bed - Boy!" als wildes Medley mit "Bounce" und "From Zero to Hero" vermischt. Da war das Delmenhorster Schützenfest dann näher als das eigentliche Connor-Konzert.
Ein Hit, den die Radios nicht spielen
Neben großer Party hatte sie auch große Emotionen dabei. Fan Petra hatte ihren Sohn Kevin bei einer Rettungsaktion in Tarragona in Spanien verloren. Sie nutzte den Song "Flugzeuge aus Papier" als Trauerbewältigung. Freunde trugen die Geschichte per Instagram an die Sängerin heran, die das Lied sonst nicht in der Setlist hat. Mit dickem Kloß im Hals und Tränen in den Augen spielte sie den Song im mucksmäuschenstillen Zelt. Eben noch Schützenfest, jetzt feuchte Augen – das schafft wohl nur die Pop-Diva.
Und natürlich durfte nach andächtiger Stille auch ihr vielleicht wichtigster Hit nicht fehlen. Radiosender weigerten sich "Vincent" zu spielen – die Musikerin singt unter anderem über einen Jungen, der erkennt, dass er homosexuell ist. Im Zelt weigerte sich zum Glück niemand, die Zeilen zum Outing in die Regenbogenfarben auf der Bühne zu singen. Ein all-inclusive Abend mit inklusiven Songs. Geliefert, wie bestellt.