Mißverständnisse zwischen Hilary Hahn und Mikko Franck

Hilary Hahn, Mikko Franck und das Orchestre Philharmonique de Radio France im Gasteig
Michael Bastian Weiß |
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Die amerikanische Geigerin Hilary Hahn.
Michael Patrick O’Leary Die amerikanische Geigerin Hilary Hahn.

Sie möchte gerne ein wenig mit dem Tempo anziehen. Wie man es von ihr gewohnt ist, stellt Hilary Hahn auch für Max Bruchs Violinkonzert Nr. 1 g-moll eine gründlich durchdachte Deutung vor, die sich aus ihrer unvergleichlichen Natürlichkeit speist. Und wie immer wird diese unaufdringliche Konzeption im jeweiligen Moment durch spontane Impulse belebt. Doch Mikko Franck reagiert nicht. Es ist nicht einmal so, dass er sich gegen die Modifikation des Gestus stellen würde, er scheint sie schlichtweg nicht mitzubekommen.

Selten einmal findet zwischen zwei Musikern – zwei jungen noch dazu! – so wenig gegenseitige Annäherung statt. Dabei macht es die amerikanische Geigerin in der Philharmonie eigentlich so unwiderstehlich vor, ihr so zarter und quellklarer Ton ist stabil und biegsam, es ist nicht vorstellbar, dass irgendjemand einen noch direkteren Einfluss auf die Klangmodulation nehmen könnte wie sie; man höre etwa ihr widerspenstiges Spiel in der tiefen Lage, die dennoch ganz frei ausschwingt.

Der brave Routinier

Kurz: Sie verkörpert das Gegenteil jener schwer zu irritierenden Routine, die der Mittdreißiger Mikko Franck schon in jungen Jahren an den Tag legte. Er scheint uninteressiert an dem so elektrisierenden Pulsieren in der Introduktion des Bruch-Konzertes, dessen Wirkung verschenkt wird, er versäumt es, Begleitfiguren bewusst zu gestalten und aus ihnen Energie zu gewinnen.

Die ganz unbetroffenen Soli etwa von Oboe und Horn, die doch anschmiegsam auf die Solistin antworten sollten, lassen urteilen, dass es Franck innerhalb seiner bislang gut einjährigen Zeit als Chefdirigent des Orchestre Philharmonique de Radio France noch nicht gelang, eine Atmosphäre gemeinsamen Aufeinanderhörens zu kreieren. Für ein Gastspiel, bei dem sich ein Klangkörper doch von seiner besten Seite zeigen sollte, wird Maurice Ravels Suite „Ma mère l’oye“ zu unscheinbar abgespult.

Die Kostbarkeiten der Partitur, die träumerischen Pizzicati, die vielgestaltigen Klangflächen, die ausdrucksvollen Klagen der Holzbläser, werden links liegengelassen. In Peter Tschaikowskys Symphonie Nr. 6 h-moll „Pathétique“ erzielt Franck eine genügende Durchhörbarkeit der orchestralen Totale, einzelne Stellen, etwa der ins Erhabene getriebene Kollaps des Kopfsatzes, lassen aufhorchen. Aber reicht das schon aus, um Mikko Franck zu einem guten Kapellmeister zu machen?

 

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