Metallica: Der Baum trägt noch Früchte

Metallicas neues Album „Hardwired... To Selfdestruct“ ist etwas ausufernd, aber absolut kraftvoll.
Matthias Kerber |
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Der Lebensbaum von Metallica hat verzweigte Verästelungen. Aus der Saat des Heavy Metals britischer Prägung entstanden, avancierten die Kalifornier zu Wegbereitern einer Metal-Musiker-Generation, die sich nicht mehr am Bluesschema, sondern an der Klassik orientierten. So schüttelten Metallica Songs für die Ewigkeiten aus den Rocker-Ärmeln. Die Band war fast unfehlbar, doch nach dem „Black“-Album erwuchsen aus diesem vitalen Lebensbaum-Stamm Äste, die nicht mehr von Kreativität, sondern von Hybris, von Egomanie genährt waren.

Die einstigen Vorreiter steuerten Sackgasse um Sackgasse an. Die schwülstigen „Load“ und „Reload“, das kracherte „St. Anger“ – Werke, auf die die Musikwelt nicht gewartet hatte. Erst mit „Death Magnetic“ erinnerte man sich seiner Stärken. Jetzt, acht Jahre später, haben Metallica wieder alle Schreiblockaden überwunden, zeigen mit „Hardwired... To Selfdestruct“ auf 80 Minuten, dass sie noch relevant sind. „Hardwired“ hat etwas von Eigen-Retrospektive. Es ist die Aussöhnung mit sich selbst, seinem Schaffen. Als hätte man die toten Äste gestutzt – und so dem Lebensbaum in den alten Adern wieder Kraft verliehen.

Zurück zu den Ursprüngen

Der Titeltrack eröffnet das Werk. Das Lied zitiert die Frühphase der Band. Bereits mit „Atlas, Rise“ wird die Richtung der Platte offenbar: grooviger, rockiger, traditioneller, das „Black“-Album lässt grüßen. James Hetfield offenbart, wie sehr er als Sänger gewachsen ist, er überzeugt in Gesangsmelodien, die er früher gescheut hätte. Hier setzt die Aussöhnung von Metallica mit der „Load/Reload“-Phase ein. So hätten die Songs, der Gesang damals, klingen sollen, damit die Scheiben gut geworden wären.

„Hardwired“ ist kein Sologitarristen-Album, sondern ein Groove- und Rhythmus-Werk, was daran liegen dürfte, dass Flitzefinger Kirk Hammett, vor den Aufnahmen sein I-Phone mit allen Riff-Ideen verloren hatte und so am Songwriting kaum beteiligt war. Es wird mehr auf hypnotische Riffs als auf Frickelei gesetzt. Songs wie „Now That We’re Dead“ zeigen, das Drummer Lars Ulrich, eigentlich das menschliche Anti-Metronom, viel geübt hat - oder die Studiotechnik hilft heutzutage auch dem wankelmütigsten Schlagzeuger. „Moth Into Flame“ und das lavazähe „Dream No More“ überzeugen, genau wie die Powerballade „Halo On Fire“. Damit schließt die erste CD – die deutliche stärkere.

Die zweite CD schwächelt

Der Antikriegs-Song „Confusion“ ist keine Konkurrenz für das geniale „One“ der „Justice For All“-Phase, „Manunkind“ ist sperrig, „Here Comes Revenge“ und „Am I Savage?“ folgen den bekannten Strukturen, „Murder One“ die Hommage an Motörhead-Frontmann Lemmy Kilmister, ist ein Fremdkörper mit gewissem Coolness-Faktor. Der Thrash-Knaller „Spit Out The Bone“ ist ein würdiger Abschluss.

Den Midas-Touch, das alles, was sie anlangen, zu Gold wird, haben Metallica verloren, etwas mehr Selbstreduktion, der Verzicht auf den einen oder anderen Song, die Komprimierung der Lieder, hätte, der Scheibe mehr Kraft verliehen. Immerhin: „Hardwired... To Selfdestruct“ führt den Lebensbaum von Metallica weiter, beweist, dass er immer noch betörende Früchte trägt.

Metallica „Hardwired... To Selfdestruct“ (Blackened)

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