Kritik

Mega-Show von Robbie Williams auf der Messe: "Ich liebe Euch, you Fuckers!"

Welthits, Witze und ein seltsames Ende: So war das Mega-Konzert von Robbie Williams am Samstag.
von  Moses Wolff
Robbie Williams live auf der Bühne am 27.08.2022 in München auf dem Messegelände.
Robbie Williams live auf der Bühne am 27.08.2022 in München auf dem Messegelände. © Jens Niering

München - "Spätestens um zwanzig Uhr dreißig soll es regnen", erklärt ein Spezialist auf dem eine knappe halbe Stunde dauernden Marsch von der U-Bahn-Station Messestadt West zur Sonderfläche der Messe. Er hat eine Regen-App auf seinem Smartphone und betont: "Die ist immer zuverlässig." Als gut vorbereiteter Besucher weiß ich, dass Regenschirme nicht erlaubt sind und hoffe, dass der Regen wenigstens sommerlich mild sein wird. Auf dem Rasen-Mittelstreifen steht ein Gitarrist und performt gechilltes Liedgut. 

Robbie Williams in München: Start mit DJs und teurem Bier

Endlich sind wir da. Das Areal gleicht einem Riesen-Festival oder einem Volksfest. Vergeblich suche ich instinktiv den Hau-den-Lukas-Stand oder einen Autoscooter. Wenigstens gibt es kühles und sündhaft teures Bier in Plastikbechern (8,50 Euro inklusive Pfand), leider keine mit Robbie-Motiv, aber da besitze ich noch zwei vom letzten Konzert im Olympiastadion. Die Vorband besteht aus zwei DJs, die großartige Tracks auflegen, „Dub be good to me“ aus dem Frühwerk von Norman Cook, noch lange bevor er Fat Boy Slim hieß. Und "Sabotage" von den Beastie Boys. Ein guter Start in den Abend. 

20 Uhr. Es regnet noch immer nicht, aber ein paar Wolken brauen sich zusammen. Im Schreibmaschinenstil erscheinen Sätze auf den monströsen Monitoren. So, als würde der Star des Abends kurz vor der Show noch etwas für seine Fans tippen. "Am I still your son?" fragen die Buchstaben. Die 90.000 Zuschauer jubeln: "Yeaaah!" Die Buchstaben antworten: "Nice".

Dann geht es los mit tollem Licht, perfektem Sound und "Let Me Entertain You". Robbie Williams ist wie immer fabelhaft gelaunt, strahlt, glänzt mit guten Einfällen, famoser Musik und unkonventionellen Sprüchen, manchmal in einer Mischung aus Deutsch und Englisch: "Ich liebe Euch, you Fuckers!" 

Robbie Williams gibt zu: "Viele Leute sind so weit weg"

Alle können ihn und seine Band ohne Opernglas sehen, dafür sorgen die Monitore. Nur die strebsamen Besucher, die schon am frühen Nachmittag angekommen sind, stehen direkt vor der Rampe, bzw. der Bühnenfront und spüren das Konzert hautnah, alle anderen betrachten überwiegend andere Konzertgäste und, wie gesagt, Monitore. Auch Robbie bemerkt das und sagt: "Viele Leute sind so weit weg, ich könnte theoretisch den ganzen Abend meinen Penis raushängen lassen, sie würden es nicht erkennen."

Es ist ein bisserl so, wie von der Münchner Freiheit in die Leopoldstraße zu starren, um am Odeonsplatz ein Konzert zu erspähen. Aber Robbie entschädigt für alles. Er ist spontan, lustig, sexy und verdammt gut. Charismatisch und stimmsicher wie Freddie Mercury, unverblümt und lausbübisch wie Teddy Teclebrhan, übermütig wie ein Mitglied von Monthy Python und frech wie Anke Engelke. Doch im Grunde unvergleichbar. 

Vor ein paar Jahren durfte ich ihn ja wie erwähnt im Olympiastadion bewundern, da bemerkte er Menschen auf den Hügeln des Olympiaparks und fragte ins Publikum: "Haben die Eintritt bezahlt? Ich glaub nicht, oder?" Den Rest des Konzertes duckte er sich immer so, dass die Gratis-Lauscher auf den Hügeln ihn nicht sehen konnten. Das war sehr lustig. Auch heute macht er gelungene Späße und spielt sämtliche Hits, historische wie neue.

Der erfolgreichste Entertainer unserer Zeit?

Robert Peter Williams ist vermutlich der beste und erfolgreichste Entertainer unserer Zeit. Sein Lebenslauf ist bunt und wild: mit drei Jahren gewann er einen Talentwettbewerb, danach spielte er Theater, jobbte als Vertreter herum, aber die Musik ließ ihn nicht los. Eines Tages entdeckte seine Mutter in einer Zeitung, dass junge Männer für eine Boygroup gecastet werden und riet ihm, vorzusingen.

Er folgte ihrem Rat – und erreichte als junger Mann mit "Take That" Weltruhm. Später stürmte er solo die Hitparaden, machte Pop und Swing, ging besonders in Europa komplett durch die Decke. Doch der Ruhm bekam ihm nur bedingt, er musste zeitweise mit psychischen Problemen und Süchten kämpfen. Schließlich fand er privates Glück, gründete eine Familie, fing an Golf zu spielen und stabilisierte sein Leben. Mittlerweile hat er über 75 Millionen Alben verkauft, hinzu kommen 18 Brit Awards und ein Eintrag im Guinness Buch der Rekorde für anderthalb Millionen verkaufte Eintrittskarten an nur einem Tag.

Freundschaftliche Nähe für alle

Das besondere an Robbie ist, dass er jeder Zuschauerin und jedem Zuschauer das Gefühl von freundschaftlicher Nähe vermittelt. Ein unverfälschter, unglaublich unterhaltsamer, lustiger Engländer. Einer, den man auch in einem Pub beim Bier treffen könnte. Einer, der einen guten Joke nach dem anderen raushaut und dazu noch geil singt. Authentisch durch und durch. Auch, als er sich kurz auf der Bühne übergeben muss, weil er zuvor zu viele Nikotintabletten eingenommen hat. Das hätte sich höchstens Lemmy Kilmister von Motörhead rausnehmen dürfen. Aber auch Robbie darf. Die Menschen lieben ihn. Weil er toll ist. 

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Die Zugaben gibt er nach über zwei Stunden in guter alter Udo-Jürgens-Manier im Bademantel und zaubert mit „Angels“ einen herzerfrischenden Ohrwurm in die Menschen. Nun hat auch endlich angenehm temperierter Regen eingesetzt. Die Menge tritt beseelt den langen Rückmarsch zur U-Bahn an.

Leider fühlt sich ein Stadionsprecher jetzt, nach dem harmonischen Ende der Show, noch dazu berufen, etwas ins Mikrofon zu schwadronieren. Nämlich: "Die Veranstaltung ist zu Ende. Hattet Ihr Spaß?" Kurze Pause. Dann der stimmlich etwas schräge Gesang des Stadionsprechers: "So ein Tag, so wunderschön wie heute." Damit hat er den vorherigen Ohrwurm abgelöst. Ein merkwürdiger Abschluss eines sehr gelungenen Konzertes.

 

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