Mariss Jansons dirigiert Mahlers Symphonie Nr. 9 im Gasteig

Immer schon das Ende im Blick: Mariss Jansons und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Mahlers Neunter in der Philharmonie
Michael Bastian Weiß |
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Mariss Jansons dirigiert Mahler.
Peter Meisel Mariss Jansons dirigiert Mahler.
Immer schon das Ende im Blick: Mariss Jansons und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Mahlers Neunter in der Philharmonie
 
MÜNCHEN - Es führt ein einziger roter Faden durch das ganze Werk – doch keine Lunte. Das hat Mariss Jansons Realisierung der Symphonie Nr. 9 Gustav Mahlers mit seiner kürzlich vorgestellten Interpretation der „Alpensinfonie“ von Richard Strauss gemeinsam. Die Parallelität der Werke ist offen sichtbar: Zwei fast abendfüllende symphonische Werke, riesenhaft besetzt, im Abstand von nur wenigen Jahren komponiert. Die Komponisten aber könnten sich kaum krasser voneinander unterscheiden. Dennoch schafft es Jansons am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks auf frappierende Weise, durch den Musiziergestus hier eine Verbindung herzustellen.
 
Ein Mittel hierzu ist die dichte formale Verschnürung der jeweiligen Großformen. Vier ausufernde Abteilungen breitet Mahler in seiner letzten vollendeten Symphonie aus. Sie werden von Jansons bei aller auseinanderstrebenden Varietät der Gestalten, Tempi und Situationen zu einer großen Einheit verschweißt. Jansons erreicht dies, wie schon in der "Alpensinfonie", durch seinen unvergleichlichen Weitblick. Wenn er die ruhige Gangart für den Kopfsatz „Andante comodo“ wählt, hat Jansons offenbar schon dessen Ende im Blick. Resultat ist ein organisches Fließen, das sich selbst auf den collageartigen zweiten Satz mit seinen banalen Tanzmusikzitaten erstreckt. Nicht in greller Unvereinbarkeit, sondern klug moderiert treffen hier die Elemente aufeinander. Was oft, ideologisch aufgeladen, als Beispiel für ironisches Komponieren herhalten musste: „Uneigentlichkeit“!, wird hier mit ständigem Blick auf das in der Partitur tatsächlich Niedergeschriebene musikalisiert. Auch die Rondo-Burleske läßt allzu Nervöses außen vor und wird somit auch nie nervig. Allen Ereignissen haftet eine gewisse Unbetroffenheit an.
 
Wer von seinem Mahler gnadenlose Emotionalität erwartet, wird enttäuscht, genau wie derjenige, der sich neulich bei Strauss auf handfeste Naturschilderungen freute. An manchen Schlüsselstellen, nicht zuletzt an den Höhenpunkten, die etwa Lorin Maazel genüsslich verzögerte und dann orgiastisch entlud, ist eine gewisse Spannungsarmut zu konstatieren. Für Jansons verstellt kein Klischee den Blick auf die Musik. Dafür hört man im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks so viele Stimmen wie sonst kaum irgendwo, die Transparenz geht bis auf den Grund. Auch die zarteren der Holzbläser kommen noch im vollen Tutti durch, weil das Schlagwerk minutiös dosiert ist. Hannes Läubin bläst im dritten Satz ein berückend unirdisches Trompetensolo, die Hörnergruppe glänzt wie im Wien der goldenden Zeiten.
 
Bemerkenswert ist im finalen Adagio auch der Klang der Streicher, zusammengesetzt aus je verschieden tönenden Gruppen. Die pauschale Glätte, die man sonst oft hört, wird hier durch genaueste Farbmischungen ersetzt. Einzig und allein an den zahlreichen Stellen, in welchen Mahler eindeutig mit gegenübersitzenden 1. und 2. Violinen rechnete, hätte die ältere, sogenannt deutsche Orchesteraufstellung noch einen Mehrwert an Räumlichkeit gebracht. So aber brillieren hier am rechten Bühnenrand der Philharmonie die phänomenalen BR-Bratschen.  
 
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