Mariss Jansons dirigiert die Symphonie Nr. 5 von Gustav Mahler

Mariss Jansons und das BR-Symphonieorchester mit Mahlers Fünfter in der Philharmonie
Der Hörer und die Musiker haben eine gute Stunde Mahler hinter sich: einen Trauermarsch, symphonische Dramatik, grimmig verzerrte Tänze und ein zartes Liebeslied. Und dann bricht eine rätselhafte, nach dem Vergangenen schwer glaubhafte Lustigkeit aus.
Es ist nicht leicht, mit dem Rondo-Finale von Gustav Mahlers Symphonie Nr. 5 fertig zu werden – weder für Hörer noch für Musiker. Wie man ihn wahrnimmt, hängt stark von der persönlichen Gestimmtheit und Kondition ab. Am Donnerstag, so scheint es, bekamen Mariss Jansons und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks die Widersprüche dieses Satzes außerordentlich gut hin: Ein Unterton von Gefährlichkeit und Zwang blieb bei aller Entfaltung von Kraft und Orchester unüberhörbar, etwa wenn die Posaunen – exakt wie in der Partitur vorgeschrieben – kurz vor Schluss die Lustigkeit brutal verdüstern.
Es ist die 13. Saison der Musiker mit ihrem Chefdirigenten. Noch immer macht sich keine Routine breit. Bei Mahler merkt man das besonders. Der Dirigent wirkt freier, nicht mehr nur auf drängende Energie bedacht. Das BR-Symphonieorchester spielt unglaublich wendig. Nach ein paar Minuten Trauermarsch hat man bereits 20 Schattierungen von Laut erfahren: mal explosiv, mal brutal, dann wieder hochdramatisch. Es ist erstaunlich, was dieser Dirigent aus seinen Musikern herausholt: Schon im ersten Satz entfaltet sich zwanglos der Kosmos Mahler.
Mit Überraschung
Im Scherzo spielt ein nimmermüder junger Horn-Solist (Carsten Duffin). In diesem Satz kamen Eleganz, Sentiment, Leidenschaft und Melancholie zu ihrem Recht. Es war auch sicher kein Zufall, dass in dieser so exakten wie natürlichen Aufführung die leisen Anspielungen auf den Choral im dritten Satz besonders klar herauskamen. Für das Adagietto braucht Jansons neuneinhalb Minuten – ein eher rasches Tempo, das aus dem Stück macht, was es sein soll: eine zarte Liebeserklärung mit „Tristan“-Anspielungen. Wenn man sich für die 14. Saison noch was wünschen dürfte, wäre es etwas mehr Mühe um ein tragfähiges Pianissimo, das dem Orchester im Eifer der Aufführung immer etwas zu laut gerät. Aber sonst fehlte wirklich nichts.
Auch das Überraschungsstück passte perfekt: Beethovens Coriolan-Ouvertüre mit Mahlers Retuschen – einer verstärkten Bläser-Besetzung und zugespitzter Dynamik. Auch hier trafen sich die Richtigen: Mahlers Klangvorstellung und Jansons’ Liebe zu kräftig unterstrichenen Betonungen.
Und mit dem Blick auf die Münchner Konkurrenz zum Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks muss man leider wieder einmal sagen: Mahlers Musik entfaltet ihre Wirkung erst, wenn sie in Proben akribisch vorbereitet wird. Mit Spontaneität kommt man nur halb so weit. Höchstens.
Eine Aufnahme des Konzerts ist eine Woche lang auf br-klassik.de abrufbar