Mariss Jansons dirigiert das Konzert zum 70. Geburtstag
Sie singen Pilger, Jäger, Zigeuner, Mönche und Verdammte: Alle diese Figuren charakterisiert der Chor des Bayerischen Rundfunks in diesem Geburtstagskonzert ein wenig anders, aber immer in vokaler Perfektion. Mariss Jansons kann seine Begeisterung gar nicht genug zeigen, immer wieder präsentiert er mit ausgestreckten Armen die Sänger, auf die er sichtbar stolz ist. Und das kann er auch sein!
Der Chor wurde 1946 neugegründet; damit ist er drei Jahre älter als das BR-Symphonieorchester. Tondokumente beweisen, dass das Ensemble schon damals zu den besten seiner Zeit gehörte; heute ist es, nach der Zusammenarbeit mit Chordirigenten wie Michael Gläser oder seit 2005 Peter Dijkstra international führend. Der Klang hat sich unter der Ägide des Niederländers Dijkstra, der auch das Festkonzert einstudierte, gewandelt, er ist glatter geworden, auch kühler, geschuldet dem aktuell herrschenden, mehr barock schlanken als romantisch üppigen Singideal.
In den Opernchören, die in diesem Konzert erklingen und die für den Chor ein eher unübliches Repertoire darstellen, erscheint der 70-jährige Jubilar denn auch auf sehr jugendliche Weise. Die Frauenstimmen etwa bewegen sich in Richard Wagners „Einzug der Gäste“ aus „Tannhäuser“ locker, strahlen eher durch Intensität, nicht durch Kraftanstrengung. Im ersten Teil, der vorwiegend deutsches Repertoire bringt, wird somit in dem Jagdchor aus Franz Schuberts „Alfonso und Estrella“ oder im Jägerchor aus Carl Maria von Webers „Freischütz“ eher die klassizistische Leichtigkeit betont, zu welcher der Apparat fähig ist.
Phänomenale Pianissimi
Damen und Herren dürfen in diesen beiden Stücken getrennt auftreten, Jansons nimmt den Jägerchor fast aufreizend langsam, der Männerchor kann somit auch in den hohen Tenören sowie rhythmisch federn als auch sehr gut sprechen, die Bässe entfalten sich schön schwarz. Erst der Chor der Verdammten aus Sergej Rachmaninows „Francesca da Rimini“ fährt mit massiven Mächten eine geradezu beängstigende Klangmacht auf.
Der zweite Teil mit seinem Schwerpunkt auf der italienischen Oper zeigt dann im Verbund mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, wie Mariss Jansons diese Stücke auffasst: nämlich symphonisch, weniger opernhaft.
Im Zigeunerchor aus Giuseppe Verdis „Troubadour“ wird die populäre Melodie nicht geschmettert, sondern sehr präzise moduliert und mit sorgfältig gestalteter Orchesterbegleitung als Musik ernst genommen, nicht als Schlager-Vehikel.
Phänomenale Pianissimi kann man im Osterchor aus Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“ hören, und zum Finale aus dem zweiten Akt von Giuseppe Verdis „Aida“ lässt Jansons dann mit spürbarer Lust am Volumen Chor, Orchester und die im Herkulessaal rückwärtig postierte Bühnenmusik zusammentreffen. Das „Gloria“, das erschallt, gilt hier einmal nicht Ägypten, sondern den Damen und Herren dieses Eliteensembles, auf das nicht nur der Chefdirigent, sondern auch das Publikum stolz sein darf. Herzlichen Glückwunsch!
Das Konzert ist noch eine Woche auf www.br-klassik.de abrufbar