Marc-André Hamelin über Nicolai Medtner

Er gilt als Spezialist für schwierige und unbekannte Komponisten. Am Montag und Dienstag spielt Marc-André Hamelin das Klavierkonzert Nr. 2 von Nicolai Medtner in der Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters. Es dirigiert Kirill Petrenko. Am Freitag folgt ein Klavierabend mit Werken von Maria Szymanowska, Liszt, Prokofjew, Samuel Feinberg und Schumann im Herkulessaal.
AZ: Mr. Hamelin, sollte man Nicolai Medtner kennen?
MARC-ANDRÈ HAMELIN: Ich finde schon. Er war ein Zeitgenosse von Sergej Rachmaninow. Ich warne fast davor, sich auf seine Musik einzulassen: Da besteht Suchtgefahr. Sie ist wie eine Droge.
War es Ihre Idee, das Stück im Nationaltheater zu spielen?
Nein, Kirill Petrenko hat angefragt, ob ich das Konzert spielen will. Ich habe das Konzert eben mit dem London Philharmonic Orchestra unter Vladmir Jurowski eingespielt. Die CD, auf der auch noch das Klavierkonzert Nr. 3 von Rachmaninow zu hören ist, erscheint Ende März bei Hyperion Records. Medtners Konzert ist leicht zugänglich, es ist ein vitales Stück mit schönen Melodien. Es gibt keinen Grund, es nicht öfter zu spielen. Aber die meisten Pianisten scheuen sich, mit weniger bekannten Werken aufzutreten.
Das tun Sie nicht. Bei Ihrem Klavierabend spielen Sie zwei Sonaten von Samuel Feinberg.
Er ist vorwiegend als Pianist bekannt – ich halte seine Einspielung des Wohltemperierten Klaviers von Bach für die beste. Feinberg komponierte zwölf Klaviersonaten – lauter einsätzige Stücke. Die Sonaten Nr. 5 und 6 sind sehr düster – eine verstörende, aber sehr aufregende Musik.
Ist das Medtner-Konzert schwer zu spielen?
Schon. Der Klaviersatz ist ziemlich dick, aber Medtner hat es so komponiert, dass es so leicht wie möglich zu spielen ist. Sergej Prokofjew hat den Komponisten dafür gelobt, dass seine Musik so gut zu den Fingern passt.
Medtner starb 1951 in London.
Er floh – wie Rachmaninow – nach der Revolution aus Russland. Später ließ er sich in England nieder. Aber niemand wollte dort seine Musik hören. Das war für ihn sehr frustrierend.
Ich habe Sie vor einiger Zeit mit dem Klavierkonzert von Charles Valentin Alkan gehört, bei dem der Solist die Rolle des Klaviers und des Orchesters gleichzeitig übernimmt. Ich war platt – aber ich habe gehört, dass Sie es nicht mögen, wenn man Sie als „Super-Virtuosen“ bezeichnet.
Ich spiele das Alkan-Konzert nicht mehr. Als Virtuose ist man eine Art Clown. Das mag ich nicht. Wenn ich auf die Bühne gehe, dann deshalb, um Musik vorzustellen, von der ich glaube, dass man sie hören sollte und bestimmte Erfahrungen mit dem Publikum zu teilen.
Trotzdem spielen Sie gern schwierige Stücke.
Aber nicht, um meine Technik vorzuführen. Es stimmt: Ich habe eine Begabung für orchestral klingende und kontrapunktische Klaviermusik. Aber ich spiele das nur, wenn ich von der Qualität der Stücke überzeugt bin.
Was Sie komponieren, ist auch nicht einfach.
Das liegt an meiner fehlenden Erfahrung. Ich versuche, spielbar zu machen, was ich im Kopf höre. Meine Etüden sind schwer, aber es gibt genug Pianisten, die sie wagen.
Was schreiben Sie gerade?
Zuletzt ein Stück für den Van-Cliburn-Wettbewerb in Fort Worth. Es ist nur ein paar Minuten lang – aber weil es jeder Teilnehmer spielt, wird es gewiss 30 Mal zu hören sein. Ich hoffe, dass die Leute nicht verrückt werden.
Nationaltheater, 20. Februar (ausverkauft) und 21. Februar (Restkarten) 20 Uhr. Hamelins Klavierabend am Freitag im Herkulessaal beginnt um 19.30 Uhr, Karten unter Telefon 39 59 34