Man könnte eine ganze Kiste von ihr trinken
In Sachen Multitasking hat Diana Krall alles im Griff: Ihre musikalischen Fähigkeiten sind auch bei Freunden gefragt, erzählt die 48-jährige Kanadierin ihrem Publikum, und sie kann tatsächlich Klavier spielen und gleichzeitig eine Weinflasche aufmachen.
Bei ihrem Konzert in der Philharmonie greifen Krall und ihre fünfköpfige Begleitband in die Kiste der amerikanischen Songklassiker, bevorzugt aus den Zwanzigern und Dreißigern, Irving Berlin, Nat King Cole, lauter gut gereifte Weine, die sie entspannt entkorken, um die verschiedenen Aromen in jazziger Frische voll zur Entfaltung zu bringen.
Zunächst bleibt Krall nah am Ablauf ihres neuen Albums „Glad Rag Doll“, steigt mit „We Just Couldn’t Say Goodbye“ mit viel Stimmhauch in den Abend ein, auch wenn besonders am Anfang die Musik wie die launigen Ansagen Kralls in der Philharmonie verhallen. Swingendes Easy-Listening ist das nicht (nur), der Produzent der neuen CD, T Bone Burnett, hat Krall einen verrauchteren Bar-Sound verpasst, der mehr räumliche Intimität vertragen könnte. Aber im Laufe des Konzerts reißen Krall und ihre souveräne Band die Zuhörer mit.
Erster Höhepunkt: eine aufgeheizte Version von Tom Waits „Temptation“, die durch ein E-Geigen-Solo von Stuart Duncan famos in den Rock hineinschrammt. Eher unterbeschäftigt bleiben Dennis Crouch am Bass und Patrick Warren an den Keyboards, die Solo-Preziosen liefern Duncan und Gitarrist Aram Bajakian. Und Karriem Riggins lässt an den Drums keine Ausreißer ins Seichte zu. Allzu routiniert hasten sie „On the Sunny Side of the Street“, um in einer sehr feinen Tango-Version auf Green Days „Boulevard of Broken Dreams“ zu wandeln.
Krall lässt improvisierte Momente zu, „wonderful, marvelous“, besonders, wenn sie eine Solo-Runde am Klavier einlegt, Joni Mitchells weinselige Ballade „A Case of You“ spielt, das „oh Canada“ auskostend, Tropfen für Tropfen. Mit ihren Zwillingssöhnen hat sie München erkundet, erzählt die Gattin von Elvis Costello, und sie scheint das, perfekte Multitaskerin eben, nicht gestresst zu haben. Die linke Hand braucht aber Übung, gibt sie zu, und quittiert einen Verspieler mit einem schön deutschen „Scheiße“. Wohl wissend, dass ein Fehler bei ihr einfach nur charmant wirkt.
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