Macklemore begeistert Publikum in der Olympiahalle – trotz Playback-Einlagen

Nervös, aber geduldig scharren die Fans mit den Hufen, weil, wie neuerdings üblich, sinnloserweise vor dem Hauptact ganze zwei Vorbands aufspielen und damit die Geduld des Auditoriums gehörig strapazieren. Ein merkwürdiges Konzept, weil bereits vor Beginn der eigentlichen Show energetisch die Luft aus den Leuten raus ist.
Mehrere Tausend Menschen stehen geisterhaft da und bewegen sich nicht, eine fast unheimliche Atmosphäre. Doch innerlich sind sie offenbar in Höchststimmung, denn als der vor Energie strotzende Amerikaner Macklemore das Podium betritt, erntet er enthusiastisches Kreischen wie weiland die Beatles.
Show-Profi Macklemore bringt Fans zum Jubeln
Er scheint übrigens der einzige zu sein, der live performt, der gutgebaute Rapper mit dem gewinnenden Lächeln, der verblüffend gelenkig über Bühnenelemente und Boxen drüberhüpft, als wäre er eine Feder oder ein Gummiball, ist quasi der einzige echte Musiker der Band.
Showbusiness können sie, die Amis, vom rasanten Kostümwechsel über rammsteinartige vertikale Feuersalven ist alles vorhanden, um die brave und artig auf jede Aufforderung zum Klatschen, Mitsingen oder Jubeln reagierende Masse zu begeistern.
Macklemore-Konzert gleicht einer College-Abschlussparty
Es scheint niemanden zu stören, dass die Band zu größtenteils aus Statisten zu bestehen scheint, der Posaunenspieler beispielsweise setzt das Mundstück oft schon zwei Sekunden vor Beendigung seines Solos ab, vielleicht ist das Teil des Drehbuchs. Es macht auch nix, weil die Stimmung rüberschwappt wie eine Salve Konfetti auf einer Abschlussparty in einem US-College.
Knapp zwei Stunden verausgabt sich jede Person auf der Bühne, manchmal vielleicht etwas zu obszön, etwa wenn sich eine mächtig aufgepuschte Tänzerin mit kurzem Rock mehrfach mit dem Rücken zum Publikum nach vorne beugt und ihren Stringtanga präsentiert.
Unterstützung von Ryan Lewis, Melle Mel und Kool Moe Dee
Ruhige, aufmerksame Fans sind ein Geschenk für Bühnenkünstler, da sie das Dargebotene wertschätzen und genießen. Selbst bei „Downtown“, einem seiner gewaltigsten Megahits, wird mehr gelauscht als getanzt. Das Lied handelt vom Herumfahren auf Mopeds und ist eine Mischung aus traditionellem Ur-Hiphop, Electric Beat und Funk.
Auf den Leinwänden agieren dazu die Altstars Melle Mel von Grandmaster Flash, Kool Moe Dee und Freestyletänzer, während Ryan Lewis leibhaftig wie ein Michael Jackson-Double mitsingt.
Playback bei Macklemore-Konzert: Milli Vanilli als Vorbild?
Allerdings klingt auch hier die Stimme wie aus der Retorte, vielleicht dachte sich Macklemore: "Milli Vanilli war doch ein Super-Projekt. Warum also live singen oder Instrumente spielen? Es genügt doch, den Sound glasklar als Vollplayback abzuspielen und von begabten Tänzerinnen und Tänzern zu begleiten – während ein Drummer, der aussieht, als wäre er einer von den Red Hot Chili Peppers, seine Stöcke mit weit aufgerissenen Augen außerhalb des Taktes auf Kulissen-Trommeln schlägt und mehrere Leute halbwegs synchron ihre Lippen zu den Liedern bewegen."
Macklemore ist lustig, listig und luftig. Er ist crazy, aber nur ein bißchen. Er ist selbstbewusst, aber nicht eingebildet. Der Prototyp eines Schwiegersohnes. Die Kostümorgie hört nicht auf, bald erscheint der Tausendsassa im Glitzerkostüm, bald mit Vokuhila-Frisur, schließlich mit Björn-Borg-Stirnband, es ist einfach köstlich.
Geburtstagsgrüße mit "funny german accent"
Während die Showtänzerinnen und Showtänzer einige Pirouetten drehen, hat sich der Frontmann einen fetten Pelzmantel angezogen und schießt mit einer Wasserpistole in die Luft. Vermutlich dachte er sich: "Ich trage diesen Pelz nur ironisch, um dem Münchner Publikum zu beweisen, dass ich das Tragen von Pelzen eigentlich in Frage stelle."
Daraufhin setzt er sich auf einen Stuhl und lässt sich von mehreren Tänzerinnen lasziv betanzen. Während sie noch auf ihm herumturnen, bläst er etwas Glitter ins Publikum, das sich immer noch nicht bewegt, aber dafür jauchzende Lustschreie von sich gibt.
Neben Sätzen, die er gewiss an jedem Ort der Welt sagt wie "Es gibt kaum einen Ort, an dem ich so gern bin wie in München", überrascht er mit den Geburtstagsglückwünschen einer seiner Bühnenstatistinnen. Das Publikum darf "Happy Birthday" singen, Macklemore bittet darum, es mit "funny german accent" zu tun. Ein Wunsch, dem gern entsprochen wird. Einer der wirklich sehr lustigen Momente des Abends.
Nach Konzert in Olympiahalle: 12.000 Fans gehen mit guter Laune nach Hause
Macklemore nimmt seine Bewunderer mit in eine Art virtuelles Schaumbad, es wird geplantscht, geträllert und geflirtet. Neben seinem Talent als hervorragender Rapper ist er auch ein begabter Plauderer und redet über Liebe, Gleichberechtigung, Lebensfreude und berichtet einiges über seine Crew und freilich auch sich selber.
Vielleicht macht es deshalb so viel Spaß, weil man sich in diese Vorhersehbarkeit ganz easy fallen lassen kann. Eine Karaokeshow mit lauter Profis. Eine Achterbahnfahrt mit guten Beats. Eine Sesamstraße für Jung und Alt. Die zwölftausend Fans haben auf dem Nachhauseweg sämtlich gute Laune und rosige Bäckchen. Und ein paar Konfetti im Haar.