Linzer Schnitte mit Sahne

Der Countertenor Bejun Mehta und die Akademie für Alte Musik Berlin unter René Jacobs im Prinzregententheater
von  Christa Sigg

Dass die zwei gemeinsame Sache machen, liegt auf der Hand: der dirigierende Ex- und der derzeit vielleicht interessanteste Countertenor. Und höre da, nicht nur im Falle Händel passt es unverschämt gut. René Jacobs weiß um jeden Atemzug Bejun Mehtas, bastelt ihm mit der Akademie für Alte Musik Berlin eine wunderbar federnde Basis.

Und Mehta schnappt die Angebote, um sich – oft genug rasend schnell – in emotionale Ausnahmezustände zu schrauben. Wut, Verzweiflung, sehrender Schmerz, Liebesgesäusel, egal, der 45-Jährige durchwühlt mit geistvoller Verve ein Repertoire, das dem Gros der Operngänger leider arg fad erscheint und entsprechend selten auf Spielplänen landet: die Zeit zwischen Opera-seria-Altmeister Gluck („Ezio“: „Se il fulmine“), den Bach-Söhnen (Johann Christian: „Artaserse“) und dem immer wieder verblüffend frühreifen Knaben Mozart („Ascanio“: „Perchè“, „Mitridate“: „Vadasi“). Doch Mehta findet in diesen Kastratenarien die Pierrots und Tanzakrobaten, delikates Seelenfutter und vokale Leuchtraketen. Dabei wird er niemals plakativ oder ausschließlich zirzensisch.

Dass die Stimme nicht mehr jeden Salto wegsteckt, hoch oben, unter der Zirkuskuppel die Luft dünner und kühl wird, ist kaum zu überhören. Stört aber keinen (das dürftig besetzte Prinzregententheater klingt beim donnernden Applaus eher nach Stadion). Mehta hat sich eh nie auf Schönklang verlassen, immer schon als äußerst versierter Gestalter überzeugt – mit Farben und Tönungen, die auch mal krätzen dürfen.

Und die Akademie? Hat herrlich dialog-affine Bläser, gibt trocken glühenden Stoff, wenn’s sein darf, oder gleitet durch prickelnde Crescendi. Auf Mozarts C-Dur-Sinfonie KV 425 hätte man allerdings gerne verzichtet, zumal für manches Detail etwas intensivere Vorpflege nötig gewesen wäre. Und just an Stelle dieser üppigen „Linzer“ Schnitte hätte die später platzierte Sinfonia zu „Mitridate“ genau gepasst.

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