Liebe, in Gottes Namen!
Zuviel des Guten: Händels "Rinaldo" als Ba-Rock-Oper bei den Festspielen auf Gut Immling:
Ich bin ein 68er“, bekannte Samstagnacht Intendant und Regisseur Ludwig Baumann auf seinem oberbayerischen „Grünen Hügel“ bei den 20. Festspielen auf seinem Gut Immling. Und mit ihm als ein linkspazifistischer Mensch sei das Finale von Händels „Rinaldo“ so nicht machbar gewesen.
Denn in dieser Oper kriechen schließlich die Muslime geschlagen zu Kreuze. Stattdessen vereint sich jetzt in der Version von Baumann und seiner Dirigenten-Frau Cornelia von Kerssenbrock am Ende ein trauernd-versöhnliches „Kyrie Eleison“ der Kreuzritter mit einem elegischen muselmanischen Gebetsgesang, während die beiden Kriegsparteien sich umarmen: Menschlichkeit statt Religionsfeindschaft – und dies ist nicht der größte Eingriff, den die beiden Festspielleiter an ihrer Leidenschaft, der Barock-Oper, vornehmen.
Seit ein paar Jahren versucht man hier im Chiemgau die Kunstform der Ba-Rock-Oper wie mit Händels „Alcina“ und „Xerxes“. Und diesmal ist für „Rinaldo“ zusätzlich ein kleines Rock-Ensemble im Orchestergraben. Viele Kompositionen werden also klassisch und rockig begleitet, bis E-Gitarre und Schlagzeug mit einem Fade-out die Musik wieder ganz Händels Partitur überlassen.
Spieluhr-Schläge, Steinhaufen und Videovisionen
Aber bei so einem massiven Elektronik-Einsatz gibt es eben unüberbrückbare musikalische Brüche: Das akustische Orchester wirkt dagegen plötzlich unverdient schwach.
Ein zweites Problem ist das „Spieluhr“-Phänomen: Man unterstellt der Barockmusik, sie hätte bei den Tempi keine Dynamik, alles würde – wie in der Popmusik – stur im Takt bleiben. Das stimmt zwar so nicht, aber hier verliert die Händel-Musik eben durch hervorgetrommelten Takt jede Leichtigkeit und Eleganz.
Ein optisches Zuviel-des-Guten beherrscht auch Baumanns Inszenierung, die aber im Kern gelungen ist. Ein großer Steinquader-Haufen bestimmt die Bühne: ein erhabenes antikes Ruinengelände wie Palmyra, gleichzeitig aber zugleich auch ein Feld kriegerischer Verwüstung, garniert mit Ölfässern, die an den Anti-Irakkriegs-Slogan „Kein Blut für Öl“ erinnern.
Hier liegen sich die Heere der Verteidiger Jerusalems unter dem sarazenischen König Argante (Jeffrey Tarr) und das Kreuzritterheer unter Goffredo (Sheldon Baxter) mit seinem Helden Rinaldo gegenüber, der in die Feldherrentochter (Jennifer Jakob) verliebt ist, aber in die Fänge der gegnerischen Zauberin Armida gerät, während sich auch die Christen eines Magiers (Florin Mircea Ganea) bedienen.
Schön an der wild-verwirrenden Handlung ist auch, dass die zwischenzeitlichen Liebes-Irrungen-Wirrungen quer zu allen feindlichen Religionslinien verlaufen, die sich erst künstlich wieder entwirren.
Der mögliche Bühnenzauber, der schon 1711 London begeisterte, ist in dieser Inszenierung übertrieben mit zuviel Action, manchmal witzigem Slapstick, was aber von den Arien stark ablenkt. Und völlig überflüssig schwebt noch eine Videoprojektionswand über der Szenerie, auf denen willkürlich-assoziative, Naturbilder zu sehen sind.
So zerfällt dieser Immlinger „Rinaldo“ in einer Ideen- und Reizüberflutung und auch im Orchester-Zusammenspiel. Reinhild Buchmayer aber als stimm-wendiger Titelheld und eine akrobatische, zupackende, Leonor Amaral als Zauberin retten den Abend musikalisch. Ob für 2017 vielleicht wieder gilt: Weniger ist mehr?
„Rinaldo“, wieder am Fr, 29.7., 19.30 Uhr, Immling. Arienabend „O sole mio – Napoli bei Nacht“ am Donnerstag sowie das Jugendmusical „Cats“ (morgen, 19.30 Uhr), „Die Zauberflöte“ (30.7., 19 Uhr). www.gut-immling.de
- Themen: