Lang Lang und die Wiener Philharmoniker

Der chinesische Pianist Lang Lang und die Wiener Philharmoniker unter Gustavo Dudamel im Münchner Gasteig
Michael Bastian Weiß |
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Lang Lang - hier nicht im Gasteig, sondern in einem Aquarium.
dpa Lang Lang - hier nicht im Gasteig, sondern in einem Aquarium.

Am Anfang, wenn das Soloklavier einfach nur diese breitwandige Melodie der Streicher begleitet, da amüsiert sich Lang Lang eher noch. Das sieht bei ihm meist so aus, dass er betont nebenbei die Tasten berührt. Es ist ja alles so einfach für ihn!

Aber dann hat Peter Tschaikowsky zu Beginn seines 1. Klavierkonzertes b-moll dem Solisten einen dankbaren Wiedereintritt verschafft, wenn er nämlich nach dem ersten Erklingen dieser Melodie mit dramatischen Punktierungen auf sich aufmerksam macht. Spätestens an dieser Stelle reißt Lang Lang den Scheinwerfer recht herrisch an sich. Noch zu Beginn ist der Klavierpart zwar einigermaßen gut verzahnt mit der bewusst akzentuierenden und damit hilfreich gliedernden Phrasierung der orchestralen Melodie.

Gustavo Dudamel am Pult der Wiener Philharmoniker hat da wohl längst notwendige Aufklärungsarbeit geleistet. Doch dann donnert das Klavier hinein und kann nicht mehr laut genug, schnell genug, übertrieben genug spielen.
Niemand kann überhören, dass dieses Stück Lang Lang wichtig ist, dass er für es brennt, für es verglüht. Und doch: Er tut ihm nicht in allen seinen Momenten einen Gefallen. Bei all der Zirzensik sind es doch vor allem die lyrischen Momente der Gesangsthemen in Kopfsatz und Andantino, die am stärksten raumgreifend wirken, weil sie auch mit Sinn für die vielstimmige Gestaltung vorgetragen werden.

In der Pause politische Proteste gegen den Künstler aus China

Sicherlich lassen hingegen die Doppeloktaven, die Lang Lang unter gleichzeitigem Fußstampfen quasi in Raserei aus dem Steinway heraushämmert, das Publikum in der Philharmonie überwältigt, in manchen Fällen vielleicht sogar leicht erschreckt zurück. Und im Finale springt die extreme rhythmische Schärfung des Hauptthemas den Hörer förmlich an. Doch ein Zusammenhang kann sich in dieser Interpretation nicht ergeben, bei allem Effekt bleibt es ein Vehikel für einen überaus begabten Solisten.

So populär er auch ist: Künstlerisch ist der Pianist also durchaus kritisierbar. Das gilt offenbar auch für seine politische Rolle, wie eine kleine, nicht genehmigte Demonstration zeigt: In der Konzertpause gelingt es einer kleinen Gruppe, den Chinesen auf Plakaten zu beschuldigen, sich nicht von seinen Sponsoren zu distanzieren, die Menschenrechtsverletzungen begehen.

Im Konzert zeigt sich Gustavo Dudamel als ein besserer Begleiter denn als eigenständiger Gestalter. Besonders bei Tschaikowsky lässt das Tutti der Wiener Philharmoniker aufhorchen, weil es ganz unluxuriös mit einer reizvoll aufgerauhten Oberfläche erscheint. Auf dem Konzertmeisterstuhl übrigens sitzt eine Geigerin – das hätte sich der altehrwürdige Verein vor nicht allzulanger Zeit wohl auch nicht vorstellen können.

Die „Bilder einer Ausstellung“ Modest Mussorgskys in der Instrumentierung von Maurice Ravel hingegen enttäuschen: nicht, weil von den Wienern nicht genügend schöne Angebote kommen würden, sondern weil diese von einem überraschend vorsichtig und pauschalen Dirigenten nicht genutzt oder gar vermehrt werden. Vom verwachsenen Gnom bis zum monumentalen Tor von Kiew bleibt das ein uninteressiert wirkendes Schlendern durch die eigentlich emotional aufgeladene Bildergalerie.

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