Lang Lang spielt Chopin, Bach und Tschaikowsky - die AZ-Kritik

Schaut her, wie leicht mir alles fällt! Lang Lang spielt im Gasteig Musik von Johann Sebastian Bach, Frédéric Chopin und Peter Tschaikowsky
Michael Bastian Weiß |
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Star-Pianist Lang Lang spielt nicht nur vor großem Publikum (hier in der Allianz Arena 2015), sondern auch im ganz normalen Konzertsaal.
dpa Star-Pianist Lang Lang spielt nicht nur vor großem Publikum (hier in der Allianz Arena 2015), sondern auch im ganz normalen Konzertsaal.

Wie Peter Tschaikowskys gleichnamiger Zyklus von zwölf Charakterstücken beweist, ist Lang Lang durchaus ein Mann für alle „Jahreszeiten“. Entgegen dem ursprünglichen Sinn dieser Redewendung bedeutet das aber nicht, dass er auch jedes Repertoire gleich gut realisiert. Eigentlich müsste das überraschen, da der chinesische Pianist bekanntlich über eine sensationelle Technik verfügt. Im besten Falle, etwa bei ausgesprochenen Virtuosenwerken, kann sein Übermut unwiderstehlich sein.

Doch genau diese Mühelosigkeit kann auch eine Falle werden, in die Lang denn auch immer wieder einmal tappt: wenn nämlich der geistige Gehalt eines Werkes durch Leichtsinn verfehlt wird. In Johann Sebastian Bachs Italienischem Konzert F-Dur geschieht dies nur zur Hälfte: Die ausgefeilte Kontrapunktik geht zwar bisweilen unter, weil Lang Läufe und Figuren zu reinen Gesten zusammenfasst und nicht mehr hörbar ist, welche Töne sich gegen welche anderen Töne bewegen. Und doch macht gerade dieses extrem anspringende Spiel hier auch Freude, nicht zuletzt, weil es hier das für Bach bemerkenswert sorglose, bewusst brillante Element des Spiels erfahrbar macht.

Chopins Scherzo Nr. 2 b-moll jedoch eröffnet eine unheimliche bis erschreckende Ausdruckspalette: Da erscheint ein rastlos raunendes Motiv, ein harter Schlag und ein richtiggehender Aufschrei. Lang Lang spart hier nicht an Pathos, doch das anklägerische Moment des Schreimotivs wird hastig vernuschelt. Bei dem schockierenden Abbruch einer Phrase im Klavierbass lässt er den ganzen linken Arm großartig durch den Raum der Philharmonie gleiten. Dabei käme es doch hier vielmehr darauf an, die Spannung zu halten und nicht gleichsam zu sagen: Schaut, wie leicht mir doch alles fällt. Auch in den anderen der vier Scherzi, etwa im 3. cis-moll, wo die Doppeloktaven zur Etüde degradiert werden, setzt sich dieser Eindruck fort.

Immer wieder hat Lang Lang davon gesprochen, wie wichtig ihm die Musik Tschaikowskys ist. Gerade, weil dessen „Jahreszeiten“, jene Charakterstücke op. 37b, weniger pianistisch effektvoll gehalten sind als vielmehr in einer auf Schumann zurückweisenden Weise innerlich, wirken sie Langs Leichtsinn wohltuend entgegen. So entdeckt er etwa den Zauber des einfachen Gesangs in der „März“-Studie, kostet im „Mai“-Bild mit feinstem Anschlag die Schwerelosigkeit des Klaviersatzes aus und übertreibt auch nicht die Jagd-Szene des „Septembers“. Kurz: Lang hat erkannt, dass es sich hier um Lieder ohne Worte handelt, und zeigt, wie anrührend einfach er singen kann. Mehr davon!

 

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