Kritik zu Scorpions in der Olympiahalle: Noch reichlich was im Tank
Die Zeilen klingen immer noch sperrig im Ohr, sind aber - ebenso wie das Original - nur der Zeit geschuldet: "Now listen to my heart / It says Ukrainia / Waiting for the wind to change." Die Ballade "Wind of Change" war (natürlichneben David Hasselhoffs "Looking for Freedom" und Marius Müller-Westernhagens Live-Version von"Freiheit") ja gewissermaßen der Soundtrack der Hoffnung auf eine bessere Zeit nach dem Kalten Krieg. Deutschland war wieder eins, Russland war gut. Nach dem Angriff auf die Ukraine musste Klaus Meine die Verse, die inzwischen zwei Generationen in den Genen tragen, ändern. Russland ist böse. Und die Scorpions sind noch immer da.
Russland ist böse – und die Scorpions sind noch immer da
"Wind of Change" war dann aber gar nicht so zentral für das Konzert im Rahmen der "Rock Believer"-Tour am Montag in der Olympiahalle. Klar: Alle sangen mit, Handylichter leuchteten. Vor allem aber war der Abend eine verdammt gute Werbung für den harten Rock - und seine offenbar junghaltende Wirkung. Die Scorpions müssen sich vor ihrer deutlich jüngeren Vorband Thundermother aus Schweden nicht verstecken. Da ist - programmatischer hätte die Show nicht beginnen können - noch reichlich "Gas in the Tank".
Rudolf Schenker springt wie ein junger Frosch
Gitarrist und Scorpions-Gründer Rudolf Schenker ist 74, wäre aber auch für einen 60-Jährigen in beneidenswerter Form, springt wie ein junger Frosch auf der Bühne herum. Seinem Gitarrenkollegen Matthias Jabs steht die Freude am Spiel den ganzen Abend ins Gesicht geschrieben. Pawel Maciwoda, auch schon seit 20 Jahren am Bass dabei, läuft immer wieder mit nach vorn an die Rampe, wo Saitenmänner und Sänger direkt vor den Fans posterfähig posieren.

Scorpions in der Olympiahalle: Erstaunlich junges Publikum
Und dann ist da noch Mikkey Dee, jahrzehntelang Schlagzeuger bei Motörhead, der nach dem Tod von Lemmy Kilmister 2015 zu den Scorpions ging - und es in der Olympiahalle in einem langen Solo dermaßen krachen lässt, dass das zum Teil erstaunlich junge Publikum zum ersten Mal wirklich völlig aus dem Häuschen ist.
Klaus Meine spart sich große Reden zwischen den Liedern
Klaus Meines (75!) Stimme klingt strahlender, als man es je erwartet hätte. Große Reden zwischen den Stücken spart er sich, kündigt nur kurz (auf Deutsch) mal die nächste Dekade an, aus der das Lied stammt, oder bittet vor der 80er-Jahre-Ballade "Send Me an Angel" ums Telefonbildschirm-Lichtermeer. Es klappt: Man könnte in der sonst dunklen Halle im Schein der Smartphones im mitgebrachten Robert-Gernhardt-Bändchen lesen. Und er verteilt immer wieder Drumsticks, die eigens dafür bereitgehalten werden.
Das glitzernde "Big City Nights" beendet den offiziellen Programmteil, nach einer kurzen Pause, in der Schlagzeuger Mikkey Dee die Halle sehr erfolgreich zu lauterem Applaus animiert, schließt die Band den Abend mit der schmalzig-schönen 80er-Ballade "Still Loving You" und dem Scorpions-Klassiker "Rock You Like a Hurricane". Ja, da ist noch reichlich was im Tank!
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