Kritik Santiano in der Olympiahalle in München: Party, Pathos und Pyrotechnik

Die Shanty-Rocker von Santiano huldigen in der Olympiahalle vor 7.000 Fans der Seefahrer-Romantik.
von  Philipp Seidel
Springen und singen: Gitarrist "Timsen" Hinrichsen federte wie ein junger Mann über die Bühne, Bassist Björn Both musste meist am Mikrofon bleiben.
Springen und singen: Gitarrist "Timsen" Hinrichsen federte wie ein junger Mann über die Bühne, Bassist Björn Both musste meist am Mikrofon bleiben. © Jens Niering

Als bei der ersten Zugabe die Papierschnipsel aus der Konfettikanone durch die Olympiahalle fliegen, gibt es für viele Zuhörer vor der Bühne kein Halten mehr: Sie tanzen darin herum wie junge Hunde im ersten Schnee.

Die Shanty-Rocker von Santiano wissen eben, wie man sein Publikum bei Laune hält. Zum Beispiel auch mit reichlich Pyrotechnik. Die Band aus Schleswig-Holstein ist erst seit sechs Jahren unterwegs, aber die Herren waren schon gestandene Musiker, als sie in dieser Formation zusammenfanden. Und seither haben sie Riesenerfolge: bei den Albumverkäufen ebenso wie in den Konzerthallen.

Kritik: So war das Santiano-Konzert

Am Samstag spielte Santiano in der Olympiahalle vor 7.000 Zuhörern. Die saßen – bis zu den Zugaben – fast alle brav in ihren Stuhlreihen. Beim dritten Lied kam ein nicht mehr ganz junger Fan in Jeanskutte nach vorne an die Absperrung, stellte sein Bier auf den Boden und begann, mit fast kindlicher Freude zu tanzen und über dem Kopf zu klatschen. Sogleich kam eine Ordnungskraft und bat ihn, zurück an seinen Platz zu gehen. Geknickt schlich er von dannen. Auch weitere Ausreißer, die nach vorne liefen, um Handyfotos zu machen, wurden geduldig an den Platz zurückgeschickt. Gut für die sitzenden Zuschauer: Sie konnten etwas von der Band sehen und nicht nur die Rücken anderer Besucher. Zum Entzücken der Fans spielte die Band ohnehin immer wieder Lieder auf einer vorgelagerten Bühne, fast zum Anfassen nah.

Als die Papierschnipsel fliegen, hat das Konzert seine finale Phase erreicht. Da waren schon viele Titel des aktuellen Albums gespielt worden: schwungvoll-schnelle wie "Könnt ihr mich hören" mit dem Ohrwurm-Thema aus dem Film "Das Boot", "Likedeeler" oder "Sail Away" ebenso wie langsame "Ich bring dich heim" oder das "Im Auge des Sturms".

Es ist nicht zuletzt diese verträgliche Mischung, die der Band den breiten Erfolg beschert hat. In der Olympiahalle saßen die Generationen von Kindern, Eltern und Großeltern einträchtig nebeneinander. Wie es sich für raubeinige Seefahrer gehört, wird immer mal wieder der Alkohol besungen, und vor allem der Geiger Pete Sage schafft in seinen Gesangs-Stücken immer wieder schönste Pub-Stimmung in der Halle, etwas mit "Hooray for Whiskey". Sage lieferte sich auch ein tolles Geige-Gitarren-Duell mit Dirk Schlag.

Ansonsten dreht sich bei Santiano alles irgendwie um die Seefahrerromantik: Heimweh, Fernweh, Sehnsucht, Freundschaft, Mannschaftsgeist – und immer wieder Freiheit. Keine andere Band, stellt Sänger und Bassist Björn Both denn auch fest, führe das Wort Freiheit so häufig im Mund. Und mahnte, dass die Welt gerade dabei sei, diese Freiheit aufzugeben, indem überall Populisten an die Macht gewählt werden. Zustimmungsjubel aus tausenden Kehlen.

Diese Warnung hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können: Erst Stunden zuvor standen rechte Pegida-Anhänger auf dem Marienplatz – ihnen gegenüber deutlich mehr Gegendemonstranten. Aber man sieht: An die Freiheit muss man immer wieder erinnern.

Santiano ist dabei immer auf unterhaltsame Weise behilflich. Und feiert nebenbei mit reichlich Pathos und Pyrotechnik ein Fest der Freundschaft mit ihren Fans. 

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