Konzerte mit Christian Thielemann und Vladimir Jurowski - die AZ-Kritik
"Danke, dass Sie geblieben sind“, sagte der Dirigent Vladimir Jurowski nach der Pause zum Publikum im Großen Festspielhaus. Es wurde Henze gespielt - keine Premiere bei den erzkonservativen Osterfestspielen Salzburg. Aber doch zum ersten Mal ein längeres Werk: die Symphonie Nr. 8 nach Shakespeares „Sommernachtstraum“.
Hier war die ordnende Hand des neuen Intendanten Peter Ruzicka zu spüren: Das Programm umkreiste den Stoff mit Ouvertüren von Mendlessohn Bartholdy und Weber. Der Salzburg-Debütant Jurowski leitete die hochmotivierte Staatskapelle Dresden engagiert und mit hoher Lust an geschärften Kontrasten. Henzes freundliches Spätwerk forderte die Virtuosität des Orchesters heraus. Zur Beruhigung der Traditionalisten spielte Rudolf Buchbinder recht altmeisterlich das jugendfrische Klavierkonzert Nr. 1 von Ludwig van Beethoven. Und wie so oft wachte dieser Pianist erst im Finale so richtig auf.
Ein Jahr vor ihrem 50. Geburtstag sind die Osterfestspiele im vorsichtigen Umbruch: An den Nachmittagen können sich Mutige sanft dosierte Neue Musik anhören. Leider lässt sich der Platzhirsch Christian Thielemann auf dramaturgisch komponierte Programme kaum ein. Er wirft lieber mit der Wurst nach der Speckseite: Auf Tschaikowskys Ouvertüre „Romeo und Julia“ folgte im zweiten Konzert unmittelbar die unsägliche Tondichtung „Les Préludes“ von Franz Liszt.
Stars und Durchschnitt
Die hält Thielemann allerdings für ein Meisterwerk, und als Querdenker wurmt ihn natürlich, dass dieses Stück in Verruf geraten ist, weil sein Hauptthema während des Zweiten Weltkriegs im Radio deutsche Siegesmeldungen ankündigte. Deshalb lässt er es absichtlich krachen. Den Tschaikowsky davor gab es dafür in einer harmlosen Allerweltsinterpretation.
Vor der Pause hatten an diesem Abend die Stars ihren Auftritt: Die Geigerin Anne-Sophie Mutter, der Cellist Lynn Harrell und der Pianist Yefim Bronfman spielten als Super-Trio Beethovens Tripelkonzert. Obwohl die drei öfter mit Kammermusik auftreten, wirkten sie klanglich unausgewogen: Mutter strahlte, Bronfman brillierte handfest, und Harrell wirkte dazwischen ein wenig verloren. Aber der Schwung und die Spielfreude wirkten einnehmend und im Polacca-Finale sogar mitreißend: Festspielmusik zum Wohlfühlen.
Verhaltene Messe
Im traditionellen Chorkonzert dirigierte Thielemann die „Missa solemnis“ von Beethoven. Die vier Solisten Krassimira Stoyanova, Christa Mayer, Daniel Behle und Georg Zeppenfeld waren schwer zu überbieten, der von Peter Dijkstra einstudierte Chor des Bayerischen Rundfunks meisterte die Schwierigkeiten und Extrem-Lagen des Werks mühelos, und sein runder Klang passt bestens zur Wärme der Staatskapelle.
Aber die Aufführung wirkte seltsam verhalten. Thielemann wies alle Härten und Schroffheiten durch gemessene Tempi von sich. Und so strahlten die Chöre und Fugen in befremdlich kalter barocker Pracht. Erst ab dem Benedictus und in der Friedensbitte wurde es persönlicher. Kein Wunder am Tag der Anschläge von Brüssel.
Beethovens „Missa“ ist ein Werk, das in Aufführungen selten rundum befriedigt. Aber nicht nur hier standen sich Thielemann und die Staatskapelle mit ihrer Neigung zur risikolosen Selbstzufriedenheit selbst im Weg. Es ist kein Zeichen von Stärke, wenn der Gast bei diesem Festival das aufregendste Konzert dirigiert.
Die zweite Serie der Osterfestspiele läuft noch bis zum Montag, Infos unter www.osterfestspiele-salzburg.at