Klein, fein, elitär

Enoch zu Guttenberg war stolz darauf, seine Herrenchiemsee-Festspiele ohne öffentliche Mittel über die Runden gebracht zu haben. Jetzt braucht er doch Geld vom Freistaat.
Georg Etscheit |
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Enoch zu Guttenberg war stolz darauf, seine Herrenchiemsee-Festspiele ohne öffentliche Mittel über die Runden gebracht zu haben. Jetzt gibt es doch Geld vom Freistaat.

Viel blaugraues Wasser und ein Holzsteg, der ins Neblige und Ungewisse führt. So verhangen wie das Aufmacherfoto des Internetauftritts der Herrenchiemsee-Festspiele schien die Zukunft dieses kleinen, feinen, aber auch ein wenig elitären Musikfestivals auf der berühmten Herreninsel im Chiemsee. Seit die Deutsche Bank nach dem Führungswechsel in ihrer Chefetage den seit 2004 laufenden Vertrag als Hauptsponsor gekündigt hatte, schienen die Tage des Festivals gezählt – zumindest in der gewohnten Form.

Doch jetzt ist wieder Land in Sicht. Der Freistaat Bayern hat das von dem Dirigenten Enoch zu Guttenberg gegründete Festival in sein Programm kultureller „Leuchtturmprojekte“ aufgenommen. Von 2013 an sollen zunächst für sechs Jahre 800 000 Euro jährlich aus dem Staatssäckel fließen. Abzüglich einer aktuell gültigen Haushaltssperre sind im bereits verabschiedeten Doppelhaushalt 2013/2014 je 720 000 Euro vorgesehen.

Bislang war zu Guttenberg stolz darauf „ohne jede Zuwendung der öffentlichen Hand“ über die Runden gekommen zu sein. So stand es noch bis vor kurzem auf der Homepage des Festivals. Auch die Deutsche Bank bleibt zunächst bis 2014 an Bord, mit rund zwei Dritteln der bisherigen Fördersumme. „Dann muss neu verhandelt werden“, sagte ein Sprecher der Großbank. Genaue Zahlen nannte er nicht. Bislang hatte der Konzern das Festival dem Vernehmen nach mit 1,3 Millionen Euro pro Saison unterstützt.

Dabei hatte sich Festspiel-Dramaturg Klaus Jörg Schönmetzler schon Gedanken über ein Notprogramm gemacht. Allein 600 000 Euro müssen jedes Jahr für Fixkosten ausgegeben werden – Saalmieten, Personal, Shuttle-Service, Werbung und Ähnliches. „Da hat aber noch niemand einen einzigen Ton gespielt“, sagt Schönmetzler. Falls sich das Finanzministerium nicht hätte erweichen lassen oder sich die Bank ganz zurückgezogen hätte, wären die Herrenchiemsee-Festspiele wohl in ein reines Barockfestival mit wesentlich kleineren, kostengünstigeren Ensembles umgewandelt worden und damit sozusagen an seine Ursprünge zurückgekehrt.

Die ersten Herrenchiemsee-Festspiele hatten im Jahr 2000 den 250. Todestag von Johann Sebastian Bach gefeiert. Enoch zu Guttenberg, dessen Name und Wirken mit dem Festival untrennbar verbunden ist, gilt als bedeutender Interpret der Werke des Thomaskantors. In den Jahren darauf waren die Festspiele aber immer mehr auf den genius loci, die verwunschene Herreninsel, und dessen Begründer Ludwig II. von Bayern zugeschnitten worden, der dort sein (unvollendetes) Versailles errichten ließ.

Das Spektrum der aufgeführten Werke, darunter jedes Jahr auch halbszenische Opernaufführungen, reicht mittlerweile von der Renaissance bis zur Gegenwart. Guttenberg bestreitet mit seinem Orchester, der KlangVerwaltung, und seiner Chorgemeinschaft Neubeuern im Duo mit seiner Frau Ljubka Biagioni, einer begabten Dirigentin, immer rund die Hälfte des künstlerischen Programms. Dieser intim-familiäre Charakter macht einen nicht geringen Teil der Faszination der Herrenchiemsee-Festspiele aus.

Mit dem musikalischen (und zuweilen auch politischen) Querkopf und kompromisslosen „Bekenntnismusiker“ Enoch zu Guttenberg als Zugpferd haben sich die Festspiele zu einem Solitär in der bayerischen Festivalszene entwickelt. Das ist natürlich auch den ungewöhnlichen Aufführungsorten zu verdanken: der prächtigen Spiegelgalerie mit ihrer stupenden Akustik und dem unvollendeten Treppenhaus. Seit ein paar Jahren wird auch das Münster auf der benachbarten Fraueninsel bespielt.

Allerdings sind die rund 8 000 pro Saison aufgelegten Karten schnell ausverkauft, die Breitenwirkung der Festspiele ist relativ gering. Nach Meinung von Sepp Dürr, grüner Kulturpolitiker im Bayerischen Landtag, ist „nicht erkennbar, warum die Privatinitiative eines Herrn zu Guttenberg plötzlich staatliche Aufgabe sein soll“. Da werde „sehr viel Geld für die luxuriösen Vergnügungen eines exklusiven Kreises“ ausgegeben. Und der Steuerzahler müsse schon wieder „da einspringen, wo die Banken sich einen schlanken Fuß machen“. Dem hält das Kulturministerium entgegen, dass die Herrenchiemsee-Festspiele längst nationale und internationale Bedeutung besäßen und „weit über Bayern“ hinausstrahlten.

 

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