Kritik

Klassik am Odeonsplatz: Rendezvous in der Sommernacht

So war der erste Abend von Klassik am Odeonsplatz mit den Münchner Philharmonikern unter Daniel Harding.
von  Robert Braunmüller
Ein ausverkauftes Konzert bei besten Bedingungen bot der Samstag von Klassik am Odeonsplatz.
Ein ausverkauftes Konzert bei besten Bedingungen bot der Samstag von Klassik am Odeonsplatz. © Marcus Schlaf

München - Das Wort "endlich" habe er in den letzten Wochen oft gehört, sagte Dieter Reiter in seiner knappen Begrüßung. Endlich kehre eine gewisse Normalität ein, endlich gebe es nun, nach der Absage im Sommer 2020 und Konzerten auf halb belegtem Platz nun wieder ein ganz normales "Klassik am Odeonsplatz" vor jeweils 8.000 Besuchern an zwei Abenden.

Ideale Rahmenbedingungen für die Klassik am Odeonsplatz

Hoffen wir auch, dass die Normalität bleibt, möchte man den Worten des Oberbürgermeisters gerne hinzufügen. Der Rahmen war am Samstag beim Konzert der Münchner Philharmoniker ideal: Trotz einiger Wolken und eines kühlen Tages blieb es vor der Feldherrnhalle angenehm warm.

Daniel Harding, normalerweise inoffiziell Erster Gastdirigent beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, vertrat den umständehalber verabschiedeten städtischen Chefdirigenten Valery Gergiev in würdigster Form: bei Tschaikowskys Violinkonzert und der Symphonie Nr. 9 "Aus der Neuen Welt" von Antonin Dvořák.

Nüchtern und erholsam

Bei Tschaikowsky setzten Harding und der Solist Leonidas Kavakos in seltener Einmütigkeit auf die klare, nüchterne Aussage, was bei diesem Konzert erholsam ist. Kavakos wirkte bei aller technischer Kompetenz im ersten Satz des Tschaikowsky-Konzerts ein wenig verbissen. Außerdem eignet sich die anfängliche Kleinteiligkeit der Musik weniger für eine Aufführung an der frischen Luft.

Geiger Leonidas Kavakos und Dirigent Daniel Harding.
Geiger Leonidas Kavakos und Dirigent Daniel Harding. © Marcus Schlaf

Ein wenig Schmäh hätte sein dürfen

In der Canzonetta hatte sich der Solist freigespielt: Da strömte die Melodie, und im kraftvollen Finale strahlte die Musik im vollen Glanz. Dass sich der um maximale Seriosität bemühte Solist jede Show verschmäht und den Teufel im Geigenkasten einsperrt, ist zwar bei diesem Werk höchst ehrenwert, bei einem Open Air aber auch wenig stimmungstötend. Ein wenig Schmäh darf sein, und eine Zugabe hatte Kavakos leider auch nicht eingeplant.

Die Symphonie "Aus der Neuen Welt"

Nach der Pause dann die am Odeonsplatz seit der Erfindung dieser Konzerte im Jahr 2000 immer wieder gern gespielte Symphonie "Aus der Neuen Welt". Harding und die Münchner Philharmoniker boten den kompletten Dvořák: eine hohe Klangkultur, vorwärtsdrängende, zupackende Dramatik in den Ecksätzen und den melancholisch eingefärbten Sehnsuchtston des Englischhornsolos im Largo (Solo: Kai Rapsch).

Ungewöhnlich harmonisch auch in der Zugabe

Als Zugabe folgten noch der Slawische Tanz Nr. 2 op. 72 und die "Tritsch-Tratsch-Polka" von Johann Strauss. Auch hier wirkten die Philharmoniker und Harding ungewöhnlich harmonisch: Vielleicht sollten beide Seiten mit dem nächsten Rendezvous nicht ganz so lange warten.

Auch das Konzert von Sir Simon Rattle war ausverkauft

Auch das Konzert des BR-Symphonieorchesters unter dem designierten Chefdirigenten Simon Rattle mit Filmmusik von Miklós Rózsa bis John Williams am gestrigen Sonntag war zwar ebenfalls ausverkauft. Dem Vernehmen lief der Verkauf allerdings etwas zögerlicher als beim konservativeren Programm des Orchesters der Stadt. Es ist eine merkwürdige Sache: Wer meint, dem Publikum entgegenzukommen, entfernt sich bisweilen auf direktem Weg von ihm.


Der BR sendet am 14. Juli um 18.05 Uhr einen Mitschnitt des Konzerts im Hörfunk, ein Video-Stream ist ab sofort hier einen Monat lang abrufbar.

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