Klarheit, Überwältigung und eine Spur Gewalt
Die Fünfte und Christian Thielemann – ein Nahverhältnis, das nur noch von der Beziehung des Dirigenten zu Bruckners Achter übertroffen wird. Mit der Fünften des Oberösterreichers trat er 2004 als Chef in München an, nun dirigierte er sie in einer Matinee der Wiener Philharmoniker im Großen Festspielhaus zu Salzburg.
Was war anders? Thielemann nahm das Scherzo derber. Längst nicht so tanzbodenmäßig wie Harnoncourt, aber für die auf Rundung bedachte Klangvorstellung des Preussen überraschend rustikal.
Die Wiener verabscheuen manche Neuerung im Instrumentenbau. Im Glücksfall weht in ihren Aufführungen ein Hauch von Originalklang mit. Die viel holziger klingende Oboe hat im langsamen Satz das erste und letzte Wort. Leider verstand sich der Philharmoniker nicht dazu, das Pianissimo der erste Hälfte des Themas vom Mezzoforte der zweiten zu unterscheiden – da musste man auf seine Kollegen warten, die am Beginn der großen Steigerung den Unterschied deutlich herausbrachten.
Dieses ruhig geatmete Adagio war schon immer Thielemanns Meisterstück. Übertroffen wurde es diesmal vom Finale. Er kniete sich geradzu ins Orchester hinein, um die punktierte Figur der ersten Geigen im stampfenden Mechanismus der Doppelfuge zu ölen. Am Ende, wenn der Choral alles übertönt, hörte man dennoch die übrigen Stimmen – weil bei den Wiener Philharmonikern alle Gruppen des Orchesters einen wahrnehmbaren Eigenklang kultivieren.
Dieser schwer zu realisierende Moment der Überwältigung, bei dem Kraft und Genaugigkeit zusammenwirken, gelang Thielemann grandios: Er ließ mit dem Orchester den Schauer der Begegnung mit dem Erhabenen spüren. Aber es war eine Spur des Gewalttätigen beigemischt, die auch jene Hörer ansprach, die das ungebremste Pathos scheuen.
Ungewöhnlich starker Beifall: Das in Salzburg sonst sehr eilige Publikum holte Thielemann sogar noch einmal zurück, als das Orchester das Podium längst verlassen hatte.