Kirill Petrenko dirigiert das Bayerische Staatsorchester

Hundert Artisten auf dem Drahtseil: Kirill Petrenko dirigiert Skrjabin, Strawinsky und Schtschedrin mit dem Bayerischen Staatsorchester
von  Robert Braunmüller

Hundert Artisten auf dem Drahtseil: Werke von Skrjabin, Strawinsky und Schtschedrin in der Musikalischen Akademie

Er könnte es sich leicht machen und einen Tschaikowsky dirigieren. Aber Kirill Petrenko entschied sich für Alexander Skrjabins Symphonie Nr. 3, das „Divin Poème“. Und das bestens besuchte Nationaltheater bejubelte den Generalmusikdirektor, als sei eben die „Pathétique“ zu Ende gegangen.

Dabei ist dieses „Poème“ ein seltsames Stück. In eine Liebesszene frei nach Wagners „Tristan“ grummeln Posaunen, und am Ende plumpst das Göttliche in ein gründerzeitliches Samtsofa und zwirbelt sich den Schnurrbart. Und wie alle Orchestermusik berühmter Klavier-Komponisten ist auch dieses pompöse Ding eher dick instrumentiert.

Es ist schwer, das „Divin Poème“ zu lieben, aber die exzellente, auf Klarheit bedachte Aufführung nötigte einem den höchstmöglichen Respekt davor ab. Petrenko verteidigte die überreife Spätromantik mit Verve, dem Bayerischen Staatsorchester gelang, was eigentlich unmöglich ist: emotional zu spielen und trotzdem durchhörbar zu bleiben.

Davor ein musikalisches Gegenstück: Igor Strawinskys herbes Violinkonzert, von Julian Rachlin rotzfrech, explosiv und trotzdem mit höchster Exaktheit hingepfeffert. In der Aria II wurde der Schmerz hinter dem neoklassizistischen Maskenspiel spürbar. Und dann gab’s als Zugabe noch die Ballade aus Eugène Ysaÿe: hochvirtuos, ein Drahtseilakt.

Womit wir beim Anfang wären: Rodion Schtschedrins Konzert Nr. 3 für Orchester, eine Hommage an den russischen Zirkus. Bei dieser hübschen Spieldosenmusik konnten Petrenko und das Orchester das bisher Erreichte herausstellen: höchste Präzision, rhythmische Würze, ironischen Spielwitz und eine unglaubliche Schattierung der Lautstärke zwischen leisem Flüstern und höchster Kraft. Wir leben in spannenden Zeiten.

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