Kirill Petrenko, Christian Gerhaher und Peter Seiffert mit Mahler und Mendelssohn

Kirill Petrenko und das Staatsorchester mit Mendelssohn Bartholdy und Mahler im Nationaltheater
von  Robert Braunmüller
Peter Seiffert, Kirill Petrenko und Christian Gerhaher nach dem "Lied von der Erde" im Nationaltheater.
Peter Seiffert, Kirill Petrenko und Christian Gerhaher nach dem "Lied von der Erde" im Nationaltheater. © Wilfried Hösl

Mahler verlangt im „Trinklied vom Jammer der Erde“ vom Tenor Unmögliches. Der Sänger soll ein riesiges Orchester durchdringen, gleichzeitig wird ein tief melancholischer Ausdruck verlangt.
Dafür bräuchte man ein Wunderwesen: einen lyrischen Heldentenor. Jemanden, der Subtilität und Fortissimo zusammenbringt.

Auf Platten ist es einigen wenigen Sängern gelungen, beim „Lied von der Erde“ zur Interpretation vorzustoßen. Im Konzert erlebt man allenfalls eine angestrengte Bewältigung. Auch der respektable Peter Seiffert machte da im 5. Konzert der Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters im Nationaltheater keine Ausnahme. Er hat zwar die Kraft, aber keine Stimme, mit der sich psychologische Brechungen gestalten ließen. Man wartet lieber, bis im Mittelteil das klagende Englischhorn einsetzt: Da gibt es dann endlich wirklich Gesang und Gestaltung zu hören.

Die hat natürlich auch der bewundernswerte Christian Gerhaher drauf. Er singt – eigentlich für einen Alt bestimmte Lieder – mit hohem Ernst und perfekter Wortverständlichkeit. Im Abschied macht er die unausgesprochene Tragödie fühlbar, das sehnsuchtvoll-verklärte Strömen am Ende gelingt ihm bewundernswert und bewegend.

Mendelssohn ohne Speckrand

Trotz Gerhaher: Das Ereignis dieser Aufführung war das Bayerische Staatsorchester. Es ist immer wieder erstaunlich, wie wendig und genau die Musiker unter Kirill Petrenko die heftig wechselnden Stimmungen von Gustav Mahlers Orchesterliedersymphonie nachzeichnen. Vor einer Woche gelang Mariss Jansons und dem BR-Symphonieorchester mit der Fünften eine ähnlich großartige Mahler-Aufführung. Aber Petrenko arbeitet noch einen Tick genauer an den Schattierungen der Lautstärke. Die so erzielte Fülle der Details und die Genauigkeit ist als Klangerlebnis überwältigend. Wir haben zwei große Mahler-Dirigenten in der Stadt.

Vor der Pause gab es Felix Mendelssohn Bartholdys „Schottische“. Blind gehört, hätte man auf einen Vertreter historisch informierten Musizierens getippt: Das Tempo war drängend, die Phrasierung der Themen lakonisch, das Orchester spielte bläserbetont-ruppig. Dem Klang fehlte der übliche Speckrand: Mendelssohn als Klassiker, nicht als Vertreter der Romantik. Eine stimmige, wenn auch überraschende Sicht. Und das ist gerade das Schöne, dass es solche Überraschungen gibt.

 

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