Kent Nagano dirigiert Ives, Bernstein und Benjamin

Die Philharmoniker unter Kent Nagano mit Musik von Leonard Bernstein, Charles Ives und George Benjamin im Gasteig
von  Robert Braunmüller / TV/Medien
Der Dirigent Kent Nagano
Der Dirigent Kent Nagano © dpa

Kent Nagano und die Münchner Philharmoniker mit Ives, Bernstein und Benjamin im Gasteig

Das englische Wort "Anxiety" meint soviel wie das deutsche "Angst", es klingen jedoch stärker die Bedeutungen von "Unbehagen" und "Beklemmung" mit. Wie der Dirigent Kent Nagano in seiner Einführung vor dem Konzert berichtet, hat er sich bei der Gestaltung des aktuellen Programms der Münchner Philharmoniker von diesem Gefühl leiten lassen.

Er meint damit die Ereignisse des letzten Jahres, namentlich den würdelosen Wahlkampf des mittlerweile amtierenden US-Präsidenten. Als gebürtiger Amerikaner sei er durch diese Situation gezwungen, "selbst in den Spiegel zu schauen".

Interessant ist, dass Nagano dies mit einer konkret politischen Interpretation der Orchesterstudie "The Unanswered Question" (Die unbeantwortete Frage) des amerikanischen Komponisten Charles Ives verbindet: Deren berühmte atonale Trompetenfigur sei wie diejenigen, die nun in den USA ausgegrenzt würden.

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Leider teilt sich diese Deutung nicht musikalisch mit, weil die philharmonischen Holzbläser die Angriffe zu weichgespült artikulieren - gegenüber einer Trompete, die in der Philharmonie auf der Empore hinter Glas postiert und damit ihrer Stimme beraubt wurde.

Mehr als die klangliche Mystik von Ives liegt Nagano das sinnliche wie intellektuelle Komponieren 1990 verstorbenen Leonard Bernstein. Nagano gelingt es, in dessen Symphonie Nr. 2 von 1948/49 das erschütterte Lebensgefühl der Nachkriegsjahre anschaulich zu schildern, nicht zuletzt auch den Überlebenswillen, der sich in einer wunderbar gelöst musizierten Jazz-Episode regt.

Eigentlich ist diese Symphonie "The Age of Anxiety" (Das Zeitalter des Unbehagens) auch ein echtes Klavierkonzert, das der amerikanische Pianist Gilles Vonsattel mit lockerer Genauigkeit, vor allem aber, etwa in den Gebetspassagen, mit viel Herz spielt. Das hätte Lenny wohl gefallen. Dagegen hinterlässt der Zyklus "Dream of the Song" des englischen Komponisten George Benjamin (geboren 1960), der seine Münchner Erstaufführung erfährt, keinen bleibenden Eindruck.

Gefällige, ewig pastellfarbene Klänge, ein Komponieren, das nie etwas wagt, zu allem Überfluss kommt der Countertenor Christopher Robson trotz kleiner Besetzung nicht durch - ein so ängstlich diplomatisches Kunsthandwerk ist einfach nicht relevant.

Noch einmal am 17. März um 20 Uhr im Gasteig, Restkarten ab 19 Uhr

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