Katzenjammer am Tag nach dem Treffen zwischen Seehofer und Reiter
Immerhin. Ein paar Fans gibt es. Alexander Reissl, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Stadtrat, freut sich, dass die jahrelange Standortdebatte zu einem „guten Ende“ kommt. „Wir sind bereit, die Generalsanierung des Gasteigs mit voller Kraft anzugehen.“
Richard Quaas von der CSU ist auch eher „zum Feiern als zum Jammern“ zumute. Es sei erfreulich, dass München nun in der alten Hülle des Gasteig einen neuen Konzertsaal bekäme. Die Befürworter eines dritten Saals neben der Philharmonie und dem Herkulessaal hätten nur erlebt, was unter jedem Christbaum geschehe: dass sich nicht alle Wünsche erfüllen.
Erleichtert wirken auch Fans des Finanzgartens wie Klaus Bäumler, der langjährige Vorsitzende des Bezirksausschusses Maxvorstadt. Ihn ärgert, dass der Park hinter dem Prinz-Carl-Palais auch vom Stadtheimatpfleger Gert F. Goergens als Schmuddelecke und Stadtbrache schlechtgeredet wurde und hofft nun auf eine Aufwertung.
Bäumler erinnert an ein Grundproblem der zehnjährigen Debatte: „Beim Marstall wurde versäumt, die Stadt ins Boot zu nehmen. Beim Kongresssaal wurde das Kuratorium des Museums nicht einbezogen, am Finanzgarten hat man so getan, als sei der Landschaftsschutz unwichtig.“
Ein Schlag für die Orchesterkultur
Außer Reißl, Quaas und Bäumler applaudiert kaum jemand der Entscheidung von Horst Seehofer und Dieter Reiter. Sie wollen den Gasteig gemeinsam sanieren, außerdem soll der Herkulessaal ertüchtigt werden. „Die Entscheidung, auf einen zusätzlichen Konzertsaal für München zu verzichten und stattdessen auf eine aufwändige Sanierung bestehender Säle zu setzen, ist ein schwerer Schlag für die weltweit berühmte Orchesterkultur Bayerns“, sagt BR-Intendant Ulrich Wilhelm. „Wir haben schon heute zu wenig Kapazität für große Orchestermusik in München. Die Umbauzeit wird eine zusätzliche Lücke ins Konzertleben reißen.“
Auch die privaten Veranstalter sehen die Lage kritisch. Klaus Schreyer von Bell’Arte glaubt, dass die Nachfrage in München ohne weiteres für einen dritten Saal ausgereicht hätte. Andreas Schessl von Münchenmusik fragt sich, wer Dieter Reiter und Horst Seehofer davon überzeugt habe, dass der Konzertbesuch stagniere: „Die Studie, die das beweist, möchte ich sehen. Überall, auch international, geht man von einer steigenden Nachfrage nach Konzerten aus.“
Fauler Kompromiss
Schessl hält den geplanten Gasteig-Umbau für einen „faulen Kompromiss“, der vermutlich teurer werden wird als jeder Neubau. Er fürchtet wirtschaftliche Einbußen während des Umbaus. Auch bei den Philharmonikern und dem BR-Symphonieorchester würden etablierte Abonnement-Reihen kaputt gemacht.
Manfred Wutzlhofer, der sich als Vorsitzender des Vereins Konzertsaal München zuletzt für einen Neubau am Finanzgarten eingesetzt hat, will nicht aufgeben. Er sieht eine „breite Protestbewegung“ gegen die Einigung von Seehofer und Reiter im Anzug.
Einer schweigt beharrlich: Mariss Jansons, dem Seehofer vor zwei Jahren den Neubau versprochen hat. Der Dirigent wollte 250 000 Euro, das Preisgeld des Ernst von Siemens Musikpreises für einen Neubau spenden. Die kann er nun behalten.