Julius Eastman im Kunstbau: Wiederentdeckung eines Schwierigen

München - Eine Musik entsteht im luftleeren Raum. Sie ist immer auch Reflexion des Lebens, das sie umgibt. Das berührt die Gesellschaft und Zeitgeschichte genauso wie die Persönlichkeit und Geisteshaltung hinter der Musik.
In diesem Sinn steht sie wie jede Kunst mitten im Leben. Für Julius Eastman gilt das ganz besonders. Sein Schaffen ist heute allgemein in Vergessenheit geraten. Dabei zählt Eastman in den 1970/80er Jahren – neben Terry Riley, Steve Reich oder Philip Glass – zu den führenden Vertretern der "Minimal Music".
Um das zu korrigieren, realisiert das Lenbachhaus in seinem Kunstbau gemeinsam mit Münchner Orchestern eine Eastman-Konzertreihe. Der Startschuss fiel bereits Mitte Februar, als Mitglieder der Münchner Philharmoniker das Mammutwerk "Femenine" von 1974 zum Besten gaben. Die Leitung hatte Miguel Pérez Iñesta vom Klavier aus inne. Am heutigen Samstag setzt das Münchener Kammerorchester die Reihe fort.
Eastman lebt künstlerisch aus, wonach er sich um Leben gesehnt haben dürfte
Auf welche Musik man sich einstellen muss, offenbarte der Auftakt im Februar. Über rund siebzig Minuten fächert Eastman in "Femenine" ein kleines Motiv auf. Seine Gestalt ändert sich von Sekunde zu Sekunde ganz subtil, bis es völlig anders klingt. Das Motiv ändert buchstäblich seine Identität, was umso persönlicher wirkt.
Es scheint, als ob Eastman hier künstlerisch etwas auslebt, wonach er sich in seinen restriktiven Lebzeiten mitunter gesehnt haben dürfte. Denn als schwuler Schwarzer sieht sich Eastman in den USA einer mehrfachen Unterdrückung ausgesetzt. In Werken wie "Evil Nigger" oder "Gay Guerrilla" legt er den Finger in die Wunden einer repressiven Gesellschaft, um gegen Rassismus und Intoleranz anzukämpfen.
Eastman eckt überall an, ist ein schwieriger Charakter, sieht sich von Feinden umgeben. Selbst mit dem an sich gelassenen, freundlichen, hilfsbereiten John Cage überwirft sich Eastman. Bald gerät er in einem verhängnisvollen Strudel aus Drogen und Alkohol. Aus der Flucht in die Sucht findet er nicht mehr heraus.
Als Eastman im Mai 1990 mit 49 Jahren stirbt, ist er völlig verarmt, obdachlos, vergessen. Seine Musik gerät ins Abseits und bleibt es bis heute. Daran konnten auch Wiederbelebungsversuche seit 2014 bislang nicht viel ändern.
Umso verdienstvoller und wichtiger ist die aktuelle Werkschau in München. Hierfür präsentiert das MKO am 5. März auch eine neue Fassung von "Buddah" für Streichorchester, die Philip Bartels eigens für diese Reihe geschaffen hat. Dieses Programm wird abgerundet von zwei Werken, die um "The Holy Presence of Joan d’Arc” kreisen.
Veritable Musik-Schätze, die da gehoben werden
Beim Gastspiel des Kukuruz-Klavierquartett aus der Schweiz stehen zudem "Evil Nigger" oder "Gay Guerrilla" an (11. und 12. März). Es folgt am 14. März ein Sonderkonzert im Rahmen der "Internationalen Woche gegen Rassismus". Für die Münchner Philharmoniker und das MKO ist die Eastman-Konzertreihe zugleich der Auftakt für eine langfristige Kooperation mit dem Lenbachhaus. Beide Klangkörper arbeiten für diese Reihe erstmals mit dem Museum zusammen, obwohl das Lenbachhaus schon ein Weilchen musikalisch aktiv ist: Schon 2011 gastierte als Auftakt die Kultband "Kraftwerk" im Lenbachhaus.
Vom Bayerischen Staatsorchester wie auch dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks wurde zudem bereits das große Foyer genutzt. Beim Lenbachhaus wirken solche multikünstlerischen Konzepte besonders sinnvoll, denn: Bekanntlich waren die "Blauen Reiter", allen voran Wassily Kandinsky, sehr musikaffin. Mit Arnold Schönberg und Alban Berg gehörten zudem zwei bedeutende Komponisten der Moderne zum Umfeld dieser Gruppe. An diese Musiktradition knüpft nun auch die aktuelle Eastman-Reihe an. Es sind veritable Musik-Schätze, die da gehoben werden – aufregend und bereichernd.
Lenbachhaus, Kunstbau heute, Samstag, 5. März, 20 Uhr. Weitere Konzerte mit Musik von Eastman am Freitag, 11. März, Samstag, 12. März, 20 Uhr, keine Bestuhlung, Karten 25 Euro