Juanjo Mena als Ersatzmann für Dudamel

Janine Jansen, Juanjo Mena und das Symphonieorchester des BR mit Mozart und Mahler im Herkulessaal
Robert Braunmüller |
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Der spanische Dirigent Juanjo Mena.
Michal Novak Der spanische Dirigent Juanjo Mena.

"Sind Sie böse, dass Gustavo Dudamel nicht kommt?“, fragte der Konzertbesucher seine Nachbarin. Die schüttelte den Kopf. „Aha, Sie auch nicht.“ Der Wuschelkopf gilt hierzulande nicht ganz ohne Ursache als musikalischer Bruder Leichtfuß. Trotzdem: Interessant wäre es schon gewesen, „Mnemosyne’s Pool“ von Steven Mackey zu hören, das als „erste große amerikanische Symphonie des 21. Jahrhunderts“ gepriesen wird.

Für den erkrankten Venezolaner sprang der Spanier Juanjo Mena beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ein. Dass er einen 2015 von Dudamel in Los Angeles uraufgeführten Amerikaner im Repertoire hat, kann man nicht verlangen, und so gab es im Herkulessaal ersatzweise Mozarts Violinkonzert Nr. 3.

Dafür gewann das löbliche Management Janine Jansen. Ein Glücksgriff. Die niederländische Geigerin befreite Mozart von jeder süßlichen Süffigkeit, ohne ihn gleich wütend zu zerkratzen. Sie spielt forsch. Aber ohne jeden Selbstzweck, sondern der Frische wegen. Und so entsteht ein federleichter Schwung, der diese Musik wie aus dem Moment entstehen lässt. Dass die Kadenzen ein wenig verhaucht wirkten, störte nur ein bisschen.

Auch ohne Darmsaiten lässt sich bei Mozart noch viel holen. Das Orchester wirkte von diesem Schwung angesteckt und spielte unter Mena so frisch und bläserbetont, dass man den Herrn Dudamel nicht vermisste, obwohl man bei nächster Gelegenheit noch erfahren möchte, was es mit „Mnemosyne’s Pool“ auf sich hat.

Mit dem Ferrari Testarossa durch die Tempo-30-Zone

Was danach kam, streifte die Grenze zum Debakel. Man würde es gerne verschweigen. Aber die Aufführung von Mahlers Erster wurde vor Fernsehkameras frenetisch gefeiert. Einspruch, werte Konzertbesucher! Niemand erwartet, dass ein Dirigent jedes Pianissimo der Partitur wörtlich nimmt. Aber so ungefähr sollte die Dynamik schon stimmen.

Am Freitag blieb einfach zu viel auf der Strecke, angefangen von der viel zu direkt gespielten Entstehung der Themen aus dem Naturlaut. Jeder Beckenschlag war eine Explosion, jedes Forte dröhnte wie der Schluss von Schostakowitschs Fünfter. Alles erschien im gleißenden Licht. Um Phrasierungen oder gar Entwicklungen kümmerte sich Mena nicht.

Der Spanier dirigierte Mahler wie ein älterer Sonntagsfahrer, der sich mal einen Ferrari Testarossa ausleiht und mit 180 Stundenkilometern und röhrendem Auspuff durch eine Tempo-30-Zone braust. Mahler ist im Herkulessaal gewiss ein Grenzfall. Aber auch ein Einspringer hat die Pflicht, während einer Probe in den Saal zu gehen und sich anzuhören, wie vierfaches Holz im Raum klingt. Mit Mozart mag Mena gerne wiederkommen, Mahler hört der Verfasser dieser Zeilen trotz allem lieber unter Dudamel.   

Das Konzert ist als Video und Audio auf br-klassik.de abrufbar

 

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