Johanni van Oustrum als Überraschung
In den meisten seiner Werke macht Alexander Zemlinsky (1871 - 1942) riesige Räume auf, in denen man sich nicht leicht zurechtfindet. Dem Dirigenten Patrick Hahn ist daher kein Vorwurf zu machen, wenn es ihm in Zemlinskys "Lyrischer Symphonie" nicht gelingt, das Münchner Rundfunkorchester vollkommen sicher durch diesen noch dazu beweglichen Raum zu führen. Dieser wird auch nicht ganz ausgeleuchtet: Von den zahllosen Feinheiten der Partitur sind im Prinzregententheater ein bisschen zu viele nicht wahrzunehmen.
Aus Erfahrung lernen
Doch Patrick Hahn, Generalmusikdirektor in Wuppertal und Erster Gastdirigent des Münchner Rundfunkorchesters, ist noch nicht 30 Jahre alt und wird zweifellos aus dieser Erfahrung lernen. Vermutlich wird er das nächste Mal versuchen, den üppigen Apparat besser in den Griff zu bekommen. Hahn dirigiert mit kleinen, weichen Gesten, die nur manchmal einen kaum vernehmbaren Impuls geben. Er könnte die hervorragenden Musikerinnen und Musiker weniger distanziert gleichsam an die Hand nehmen. Schon die "Sinfonietta", ein fast unbekanntes Spätwerk Zemlinskys von sensationeller Inspiriertheit und Konzentration, strahlt nicht letzte rhythmische Souveränität aus, wenngleich Hahn die Höhepunkte klar entwickelt.
Porträt einer bedingungslosen Liebe
In der "Lyrischen Symphonie" vertont Zemlinsky Liebeslyrik von Rabindranath Tagore, dem indischen Nobelpreisträger von 1913. Hier überrascht es doch ein wenig, wie unberührt Patrick Hahn von der unbändigen Leidenschaft der Sprache und ihrem überbordenden musikalischen Ausdruck bleibt. "Vorwärts", "in ruhiger immerwährender Steigerung", "etwas drängend", mit solchen allgegenwärtigen Hinweisen macht der Komponist deutlich, dass die harmonische Entwicklung auf Ziele und Zwischenziele hinbewegt werden will.
Voll und ganz verwirklicht nur Johanni van Oostrum - die zudem noch kurzfristig eingesprungen ist! - das Changieren dieses Ausnahme-Werkes zwischen Lied, Symphonie und Oper. Mit ihrem wunderschön gedeckt timbrierten, in cremiger Flexibilität geführten Sopran porträtiert sie das bedingungslos liebende junge Mädchen, das einen Reifeprozess hin zu einer resignierten Gefasstheit macht.
Als ihr Gegenüber bleibt Milan Siljanov dabei vergleichsweise geerdet, aber es hat auch etwas für sich, dass er die weitgespannten Kantilenen mit seinem machtvollen, satten, dabei weichen Bassbariton so stabil phrasiert: ein Anker im steten symphonischen Strom. Makellos ist bei beiden die Textverständlichkeit, die weitere wertvolle Orientierung in diesem so lohnenden Werk ermöglicht.
Nachzuhören auf rundfunkorchester.de oder br-klassik.de
- Themen:
- Prinzregententheater