Interview

Jesper Munk: Therapie-Sessions auf der Straße

Jesper Munk stellt sein neues Cover-Album im April live in der Muffathalle vor.
von  Dominik Petzold
Der Musiker Jesper Munk.
Der Musiker Jesper Munk. © Foto: Aaron Bircher

München - Der Münchner Jesper Munk hat sein erstes Album seit 2018 herausgebracht: "Taped Heart Sounds", eine Cover-Platte mit Standards wie "Smoke Gets In Your Eyes" und "I'd Rather Go Blind", mit "End Of The Line" von J.J. Cale und "I'm So Lonesome I Could Cry" von Hank Williams, aber auch mit vielen unbekannteren Songs.

Der Münchner, der seit sieben Jahren in Berlin lebt, spricht im Zoom-Gespräch über das Album, über Lieder von Charles Manson, über teure Tourneen - und er erklärt, wieso er froh ist, bald dreißig zu werden.

AZ: Herr Munk, wieso haben Sie diesmal Coverversionen aufgenommen?
JESPER MUNK: Ich hatte eine ziemlich lange Phase, in der sich bei mir persönlich viel verändert hat: Ich habe mal geheiratet, dann haben wir uns getrennt, dann kam die Pandemie. Viele Dinge waren in der letzten Zeit nicht kreativitätsanregend, sondern eher blockend. Irgendwie habe ich mich noch nicht so gefühlt, als hätte ich das Richtige zu sagen. Und ich wollte schon länger mal ein Coveralbum angehen. Da ist nichts dabei, von dem man sagt: Da hat jemand das Rad neu erfunden. Es war ein Gemeinschaftsprojekt, bei dem die Fans per Crowdfunding für die Zeit im Studio gezahlt haben. Jeder Musiker wurde fair bezahlt, wir haben alle eine Woche arbeiten können.

Wie haben Sie die Songs ausgewählt?
Die haben sich über die Jahre so akkumuliert. Dann habe ich mit Kristof Hahn eine Tour gemacht, bei der wir eine illustrierte Bowie-Biographie mit Musik begleitet haben. Wir haben Covers von Bowie gespielt, und er hatte mal ein Cover einer Scott-Walker-Version des Jacques Brel-Songs "Amsterdam" gemacht. So bin ich darauf gekommen. Den Song "Naked" hat mir Hal Strewe vorgespielt, der auf dem Album Bass gespielt hat. Ich fand es beeindruckend, dass jemand in unserem Alter einen Song schreibt, der sich von der Qualität her von den anderen nicht unterscheidet. Viele andere Songs kenne ich schon ewig, manche haben mir in einer schwierigen Phase geholfen.

Diese Cover klappten nicht

Haben Sie auch Songs, bei denen es nicht geklappt hat?
Ja. Ich hatte mich entschieden, dass die guten Sachen von Künstlern wie Phil Spector oder Charles Manson nicht vergessen werden sollten. Ich fände es den falschen Ansatz, alles Positive zu vergessen, was solche Menschen gemacht haben. Ich wollte Charles Mansons Song "Look At Your Game, Girl" covern - was als Deutscher schwierig ist, weil der Wahnsinnige ja ein Hakenkreuz auf die Stirn tätowiert hatte. Ich weiß nicht, ob ich mich's getraut hätte als Deutscher, da ist besondere Vorsicht geboten. Der Song ist einfach geil, aber es hat dann ja nicht geklappt.

Wer hätte ansonsten die Tantiemen bekommen?
Wahrscheinlich irgendein Gefängniswärter in den Südstaaten - keine Ahnung, wer Charles Mansons Erbe ist. Aber ich musste den Song ja nicht freigeben lassen.

Der Stil Ihrer Cover-Versionen erinnert eher an Ihr letztes Album "Favourite Stranger" als an Ihre frühen Alben, die bluesiger und rockiger waren. Wieso der Stilwandel?
Bei den frühen Platten hatte ich gerade erst mit Musik angefangen. Mit 16 habe ich angefangen, mit 18 habe ich auf der Gitarre ein paar Songs gespielt, und mit 20 oder 21 kam die erste Platte raus, das war viel zu früh. Für mich zählen nur "Favourite Stranger" und das Cover-Album, dazwischen gab es noch eine EP. Stilistisch will ich da gern anschließen.

Ihre Musik ist viel ruhiger, entspannter. Wieso rocken Sie weniger als früher?
Ich habe ein experimentelleres Post-Punk-Projekt mit meiner Ex-Frau: Public Display Of Affection. Da kommt viel von dem Saft rein. Außerdem spiele ich Gitarre bei der Band Plattenbau. Das ist noisy und düster. Ich habe genügend Ventile. Aber Rock'n'Roll wird in Zukunft schon wieder mehr einfließen, denn das fehlt mir auch auf der Bühne. Es ist nervig, wenn man eine Nummer von vor sieben Jahren rauskramen muss, damit es mal kurz knallt.

Sie singen auch zurückhaltender, nutzen die Möglichkeiten Ihrer tollen Stimme nicht voll aus. Bei "I'd Rather Go Blind" könnten Sie auch röhren wie Etta James oder Rod Stewart. Wieso tun Sie das nicht?
Das war genauso gemeint. Es ist nicht so, als ob die Stimme das nicht könnte, und es kam mir live ehrlich vor, wenn ich ohne Ende rumschreie. Aber auf dem Cover-Album wollte ich mich bescheidener zeigen und den Hut ziehen, anstatt zu versuchen, wie Etta zu klingen.

Sie sind vor sieben Jahren von München nach Berlin gezogen. Hatte das Einfluss auf Ihren Sound?
Sehr. In den letzten sieben Jahren hat sich mein ganzer Blick auf die Welt extrem gewandelt. Aber das Alter spielt sicher auch eine Rolle. Ich bin froh, wenn ich jetzt dann dreißig bin.

"Mit Erfolg und Aufmerksamkeit kam viel Unsicherheit"

Was war so schlecht an den Zwanzigern?
Mit Erfolg und Aufmerksamkeit kam bei mir viel Unsicherheit. Da erwischt man sich beim Überkompensieren, man versucht, lauter zu sein, weil viele Einfluss nehmen und ein Stück vom Kuchen haben wollen, ein bisschen von dem Zauberstaub, den man selbst gar nicht sieht. Ich bin ewig auf Tour gegangen, bis ich keinen einzigen Song mehr ausstehen konnte. Das Cover-Album ist das erste, das auf meinem Mist gewachsen ist, die Grundidee des Sounds war von mir. Ich fühle mich zum ersten Mal wohl in meinem musikalischen Ich. Meine Stimme klingt, wie ich sie gerne hören möchte.

Geht's Ihnen auch abseits der Musik besser?
Auf jeden Fall! Ich habe auch wieder ein bisschen auf der Straße gespielt, weil es mich so genervt hat, dass alles abgesagt wurde. Das war die beste Therapie-Session, die ich jemals hatte. Und ich habe eine Ruhe gefunden beim Songschreiben, die ich vorher nicht hatte.

Sparen fürs nächste Album

Kommt also bald wieder ein Album mit eigenen Songs raus?
Ja, sobald ich das Geld dafür habe. Dafür bräuchte ich eine erfolgreiche Tour, die nicht abgesagt wird. Aber das ist nicht so einfach. Wenn man mit drei Musikern auf Tour geht, hat man Fixkosten von 1.200 bis 1.300 Euro am Tag. Wenn's schlecht läuft, fährt man mit 6.000 bis 7.000 Euro Schulden nach Hause. Viele Künstler wie ich können das Risiko nicht eingehen: Wir haben keinen Puffer mehr von der letzten Tour - denn es gab keine letzte Tour, sondern nur Corona-Hilfen. Oder auch nicht: Es hätte im Sommer 5.000 Euro gegeben, aber ich habe etwas über 4.000 Euro verdient - das waren 120 Euro zu viel. Da waren die Hilfen dann auch weg. Ich hätte besser die Füße hochlegen sollen.

Jesper Munk: "Taped Heart Sounds", erschienen bei Billbrook Records; Am 8. April spielt Jesper Munk in der Muffathalle, 20 Uhr, Karten: 089 54818181

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