Jan Lisiecki über Chopin und die Elbphilharmonie

Der Pianist Jan Lisiecki über das erste Chopin-Klavierkonzert und seinen Eindruck von der Elbphilharmonie
Heute gastiert das Rotterdam Philharmonic Orchestra im Gasteig. Zwei Kanadier stehen im Zentrum: Yannick Nézet-Séguin dirigiert Werke von Leonard Bernstein und Antonín Dvorák. Sein Landsmann Jan Lisiecki spielt das Klavierkonzert Nr. 1 von Fryderyk Chopin. Wir haben mit dem Pianisten über dieses Stück gesprochen.
AZ: Mr. Lisiecki, ich mag Chopins Klavierkonzerte nicht besonders. Warum sollte ich es mir trotzdem anhören?
JAN LIESIECKI: Schade für Sie. Aber sie sind nicht allein. Es ist eine Frage des Zugangs: Man sollte diese Musik nicht wie ein Konzert von Beethoven hören.
Mir fehlt der Konflikt zwischen dem Einzelnen am Klavier und der Masse.
Genau das wollte Chopin nicht. Er komponierte ein Stück für Klavier, dem die zusätzlichen Farben der Instrumente beigemischt werden.
Die Instrumentierung ist auch nicht gerade aufregend.
Man muss das im Kontext seiner Zeit hören. Die Bläserbehandlung ist sehr kammermusikalisch. Die Musiker müssen vorsichtig vorgehen, weil Chopin zum Beispiel nur ein Fagott vorsieht, und das Instrument leicht untergeht. Es ist sehr schwierig, hier die richtige Balance zu finden. Das funktioniert nicht automatisch, wie bei Beethoven.
Damals waren auch die Konzertsäle kleiner.
Man muss am Klang arbeiten. Das Tutti ist leichter und luftiger. Beethoven schrieb für das Klavier voll und satt. Bei Chopin ist alles luftiger. Aber es gibt neben den gesanglichen Linien immer auch kraftvolle Momente. Gestern in Hamburg hat es funktioniert.
Wie gefällt Ihnen die Elbphilharmonie?
Die Akustik ist sehr ehrlich. Sie verschönert nichts. Manchmal ist sie auch zu ehrlich. Der Saal erlaubt einem viele dynamische Schattierungen. Jedes Pianissimo ist hörbar. Es ist kein Raum, in dem man sich als Solist einfach nur ans Klavier setzt und genießt.
Ein Problem ist die Weinberg-Form: Viele Leute sitzen hinter dem Orchester und damit auch hinter dem Klavier.
Ich war nur als Solist in der Elbphilharmonie, nicht als Zuhörer. Bei den Proben hatte ich aber den Eindruck, dass es für sie klingt, als säße er mitten im Orchester. Und ich glaube, dass der Saal auf allen Plätzen ungefähr gleich klingt.
Ist es für Sie ein Problem, als Pianist mit polnischen Vorfahren auf Chopin festgelegt zu werden?
Ich bin in zwar in Kanada geboren, aber ich spreche polnisch, bin polnischer Staatsbürger und verstehe mich als Pole. Aber ich spiele Chopin nicht im polnischen Stil, weil ich keine polnischen Lehrer hatte. Und ich habe mir auch nicht alle polnischen Chopin-Aufnahmen angehört. Ich spiele Chopin nicht als Pole, sondern weil er fantastische Musik komponiert hat. Niemand hat besser für das Klavier geschrieben.
Gasteig, 20. März, 20 Uhr, Restkarten an der Abendkasse Die CD „Chopin: Works for Piano and Orchestra“ mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Krzysztof Urbanski ist bei der Deutschen Grammophon erschienen