Interview mit Howard Arman, dem zukünftigen Künstlerischen Leiter

Howard Arman, der neue künstlerische Leiter des BR-Chors, dirigiert das erste Konzert seit seiner Ernennung
von  Robert Braunmüller

In zwei Jahren bekommt der Chor des Bayerischen Rundfunks einen neuen künstlerischen Leiter. Howard Arman wird ab der Saison 2016/17 Nachfolger von Peter Dijkstra. Am heutigen Samstag leitet der Brite ein Konzert des Chors im Prinzregentheater und bringt seine Komposition „The Cries of London“ zur Uraufführung.

AZ: Herr Arman, Sie sind der erste Chef des BR-Chors, der auch komponiert. Wie wichtig ist das für Sie?

HOWARD ARMAN: Es ist immer besonders inspirierend, für Ensembles zu schreiben, mit denen ich arbeite. Ich denke, dass ein Chor mit beiden Füßen in der Gegenwart stehen sollte. Und deshalb wollte ich auch eine Uraufführung in diesem Programm über die „Macht der Musik“. Da lag es nahe, ein eigenes Stück beizutragen.

Wie verhält sich Ihr Stück zum übrigen Programm mit Purcells „Cäcilienode“ oder Brittens „Hymn to St. Cecilia“?

Das sind lauter hochsymbolische, ernste Werke. Denen wollte ich bewusst am Ende des Programms etwas entgegensetzen. Im alten London war es üblich, auf den Märkten und Straßen bestimmte Waren und Dienstleistungen musikalisch anzupreisen: Wer Fische zu verkaufen hatte, sang andere Melodiefetzen als ein Kaminkehrer. Schon um 1600 herum haben Komponisten diese Themen musikalisch verarbeitet. In „The Cries of London“ greife ich das auf.

Ist Ihr Stück a cappella?

Nein. Sechs Solo-Streicher aus der Münchner Hofkapelle, die auch in Purcells „Cäcilienode“ mitwirken, bilden ein Consort in der britischen Tradition Alter Musik. Außerdem sind in meinem Stück viele Solisten aus dem Chor beteiligt.

Welche Klangvorstellung verbinden Sie mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks?

Wenn man für diesen Chor komponiert, ist die Versuchung groß, alle technischen Grenzen zu missachten. Die Musiker sind imstande, fast alles zu machen. Aber ich versuche, immer auch an das Publikum zu denken. Und an den Zusammenhang, in dem das Stück aufgeführt wird. Deshalb habe ich in den „Cries of London“ viele Soli geschrieben, bei denen die Chormitglieder auch darstellerisch gefordert sind. Es soll ein heiterer Schluss für ein eher ernstes Programm werden.

Wie soll sich der Chor unter Ihrer Leitung weiterentwickeln?

Der Chor ist außer in München auch international sehr gefragt. Das gilt es weiter zu pflegen. Der A-Cappella-Gesang ist mir ebenso wichtig wie eine große stilistische Bandbreite. Auch die Zusammenarbeit mit jüngeren Komponisten wird fortgesetzt. In der Zeit von Händel und Mozart wurde fast nur Musik der Gegenwart aufgeführt. Man muss sich fragen, warum sich dieses Verhältnis umgekehrt hat und wie man diese Schieflage sanieren kann.

Der BR-Chor ist ein Berufschor in einer weiten Landschaft von Laienchören. Wie sehen Sie dieses Verhältnis zueinander?

Ein Berufschor hat eine Leuchtturmfunktion: Jeder öffentlich geförderte Chor hat die Pflicht, Nischeninteressen zu bedienen und Werke aufzuführen, die nicht alle spielen. Deshalb wird er finanziell unterstützt – ob durch Subventionen oder Rundfunkgebühren.

Sie sind jetzt Musikdirektor des Luzerner Theaters. Treibt Sie der Verdruss über die Bühne zum BR-Chor?

Gar nicht. Ich bin mit Herz und Seele am Theater. Auf der Bühne entsteht jeden Abend eine Wirklichkeit, die sich im Konzertsaal nicht herstellen lässt. Es ist eine sehr intensive Art zu arbeiten. Ich vermisse Chormusik. Das schließt aber zukünftige Gastauftritte als Operndirigent nicht aus.

Sie werden Künstlerischer Leiter des Chors, Mariss Jansons ist zugleich Chefdirigent von Chor und Symphonieorchester des BR. Wie verhalten sich diese Ämter zueinander?

Ich sehe da keinen Gegensatz. Die Programme des Symphonieorchesters und seines Chefdirigenten stehen zuerst fest. Wir haben auch bestimmte Projekte, und die gilt es in Einklang zu bringen. Aber das ist eine sehr beglückende, anregende Zusammenarbeit: Herr Jansons schätzt den Chor sehr.

Prinzregententheater, Samstag, 12. 12., 20 Uhr, ausverkauft

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