Im Duo in der Anatomischen Anstalt

Lang Lang spielt trotz Handverletzung in der Anatomischen Anstalt ein Privatkonzert. Ihm assistiert sein junger Kollege George Harliono
Michael Bastian Weiß |
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Lang Lang und der englische Pianist George Harliono beim Konzert in der Anatomie.
Isabelle Czirnich/Mastercard Lang Lang und der englische Pianist George Harliono beim Konzert in der Anatomie.

Eine Sehnenentzündung ist natürlich der Albtraum jedes Pianisten. Den Chinesen Lang Lang traf es doppelt hart: Ausgerechnet die rechte Hand ließ ihn im Stich – für die Linke hätte es immerhin einen kleinen Repertoirebestand gegeben.
Bis weit in den nächsten Frühling hinein sind die Konzerte abgesagt, doch so ganz kann Lang es doch nicht lassen: In der Anatomie im Münchner Klinikviertel gab er, organisiert von einem Sponsor seiner Stiftung, ein Privatkonzert, in welchem er einen seiner Schützlinge, den erst 16-jährigen englischen Pianisten George Harliono, präsentierte.

Vielleicht wirkte das medizinische Ambiente der Anatomischen Anstalt, in welcher Medizin-Studenten ausgebildet werden, auf Lang Lang motivierend. Auf jeden Fall berichtet er in einem kurzen moderierten Gespräch sehr optimistisch von den Fortschritten, die seine Hand wieder macht.

Solche Probleme kennt jeder Hobbymusiker

Der Hörsaal der Anatomie, der nach Plänen Max Littmanns erbaut wurde, dem Architekten des Prinzregententheaters, steigt steil nach oben und ist akustisch reizvoll, wenngleich auch etwas überpräsent. Ein wenig vorsichtiger hätte man den Steinway, an dem die beiden Pianisten sitzen, also schon behandeln können. Das „Rondo alla turca“ aus der Klaviersonate A-Dur KV 331 von Wolfgang Amadeus Mozart wird mit harschen Schlägen fast brutal auf Show getrimmt.

Dazu reicht Lang Lang auch eine einzige funktionstüchtige Hand. Mit dem linken Arm dirigiert er seinen jüngeren Kollegen. Er scheint ihn dabei allerdings eher zu verwirren, denn bereits im „Schwan“ aus „Der Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saens geht einiges daneben; in der „Morgenstimmung“ aus „Peer Gynt“ von Edvard Grieg fehlt am Anfang die Melodiestimme; und beim „Tanz der Zuckerfee“ aus dem Ballett „Der Nussknacker“ von Peter Tschaikowsky hat man sich offenkundig nicht vorher verständigt, ob man die Wiederholungen spielt.

Solche Probleme kennt jeder Hobbymusiker, der schon einmal spontan mit Gleichgesinnten zusammen gespielt hat. Einem seriösen Künstler sollten solche Schlampereien jedoch nicht passieren. Wie befreit wirkt Harliono denn auch, als er sich den „Bildern einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky alleine widmen darf. Es ist zwar schade, dass er in seiner gekürzten Version unter anderem ausgerechnet die „Catacombae“ weglässt, deren Totenbeschwörung doch gerade bestens zum Zweck der Anatomischen Anstalt gepasst hätte. Doch die verbleibenden Sätze zeigen einen begabten jungen Pianisten, der mit Frische und Begeisterung durch das Werk stürmt.

 

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