Hubert von Goisern im AZ-Interview: Widerspenstig populär
München - "Schade, dass Sie aufgehört haben.“ Diesen Satz hört Hubert von Goisern in Österreich häufiger, selbst als seine Hitsingle „Brenna tuat’s guat“ gerade auf Platz eins in den österreichischen Charts stand. Die Erklärung dafür liefert er selbst. Viele Menschen bringen den „Hiatamadl“-Alpinkatzen-Rocker nicht zusammen mit dem Künstler, der wochenlang mit Gastmusikern auf einem Schiff die Donau entlang fuhr, der eine Wirtshaustournee startete oder mit Musikern auf verschiedenen Kontinenten jammte. Das wird sich nach der Doku „Brenna tuat’s schon lang“ hoffentlich ändern. Denn aufgehört hat von Goisern natürlich nicht. Den Sommer des Goiseners läutet der sehenswerte und stellenweise überraschend komische Film von Marcus H. Rosenmüller ab morgen ein. Es folgen ein neues Album im Mai und das Konzert auf dem Königsplatz (am 26. Juni).
AZ: Herr von Goisern, der Film zeigt auch Ihre musikalische Findungsphase mit teilweise erschreckend geschmacklosen Auftritten in unsäglichen Klamotten.
HUBERT VON GOISERN: Ehrlich gesagt gibt es da noch schlimmeres Material. Das habe ich aber nicht rausgerückt. Aber was die musikalische Findungsphase angeht, kann ich nur sagen: Die ist noch lange nicht abgeschlossen.
Dafür haben Sie sich mit ihrem Heimatdorf Bad Goisern ausgesöhnt.
Schon, aber der Konflikt hing damals nicht mit meiner Auffassung von Volksmusik zusammen. Damals wählten in Bad Goisern über 30 Prozent Jörg Haiders Partei, und ich habe nie ein gutes Haar an ihm gelassen. Das empfanden einige als Nestbeschmutzung, weil der Haider schließlich auch aus Goisern stammt. Daraus entstand dann auch die Ablehnung gegenüber dem, was ich künstlerisch gemacht habe.
Die zwei Donau-Fahrten mit Gastmusikern und Konzerten bezeichnen Sie im Film als Ihren Achttausender. Es war eine spektakuläre Idee, die Europa zusammenbringen sollte. Wo stehen wir da heute?
Das ist erschreckend, bedauerlich. Es war aber damals schon klar, dass das von Politikern erdachte Europa eine reine Wirtschaftsgeschichte ist, alles andere ist denen wurscht. Wenn man aber nur auf diesem wirtschaftlichen Bein steht und das beginnt zu bröseln, dann ist das Ganze bedroht. Jetzt kommt man aber vielleicht doch einmal darauf, das eine gemeinsame Währung nicht genug ist.
Sehen Sie sich da als Künstler verpflichtet, Ihre politischen Gedanken in die Öffentlichkeit zu tragen?
Ja, ich weiß aber nicht, wie viel das nützt. Die Kultur hat dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht entgegenzusetzen gewusst. Ich habe leider nicht das Gefühl, dass wir als Künstler viel bewirken können, wir erreichen doch immer nur eine Minderheit. Ich glaube auch nicht, dass der Künstler größere Verpflichtungen hat als jeder einzelne Mensch, sich auf die wahren Werte zu besinnen. Wir leben in einer Welt, die immer ungleicher wird und ungerechter. Es wird sehr schwer sein, dieses System zu ändern. Ich finde das aber auch eine ungeheuer spannende Zeit, da muss jeder seinen Beitrag leisten, damit es eine positive Wendung gibt.
Sie zeigen auch die Angst der Menschen in Osteuropa vor der EU, das wurde im Westen kaum thematisiert.
Auf der ersten Recherchereise 2006 war ich in Bulgarien und Rumänien, ein Jahr vor deren EU-Beitritt, und da waren überall schon die österreichischen Banken und Konzerne. Und die Bevölkerung hatte einfach Angst, dass Ihnen das Wenige, was sie haben, jetzt auch noch weggenommen würde. Ich finde es auch bedauerlichen, dass Armut nur als Makel betrachtet wird. Wenn jemand nicht viel braucht, wird er in der westlichen Gesellschaft schon als Loser dargestellt. Wieso soll ein Kleinbauer nicht ein paar wenige Kühe und andere Tiere haben, wenn er damit über die Runden kommt? Es braucht nicht jeder 200 Kühe mit Turboeuter, um zum Kapitalismus dazu zu gehören.
Es gehört aber auch zum Kapitalismus dazu, dass ein erfolgreicher Musiker seine Produkte promotet, Hits schreibt....
Oh je, das ist eine ewige Streitfrage zwischen mir und meinem Manager Hage Hein von Blanko Musik. Ich tue sehr viel, ich bin schon fast ein Workaholic, aber ich mache auch Sachen, die nicht unbedingt einen Sinn ergeben im strategischen oder kapitalistischen Sinn. Ich wollte auch ursprünglich den Film nicht machen. Ich habe Hage gesagt, ich könne nicht an einem Porträt über mich mitarbeiten, dazu braucht es unbedingt eine Außensicht. Und so kam nach einigen Verwicklungen der Marcus H. Rosenmüller mit ins Boot – ein großartiger und offener Typ, wir hatten nicht die geringsten Konflikte.
Und im Mai kommt dann Ihr nächster Radio-Hit?
Ich schreibe die Lieder so, wie sie kommen. Wenn es etwas gibt, was ich nicht kann, dann auf ein bestimmtes Format hin zu denken und zu produzieren.
Ab Donnerstag: Solln, City, Leopold, Rio Filmpalast und Mathäser Kinotour mit Publikumsgespräch: Freitag, 24. 4., Münchner Freiheit, in Anwesenheit von Regisseur Marcus H. Rosenmüller, 19.30 Uhr, Sonntag, 26. 4., Rio in Anwesenheit von Marcus H. Rosenmüller, 12 Uhr