Herman van Kogelenberg spielt das Flötenkonzert von Dalbavie
MÜNCHEN - Was könnte man mit der modernen Flöte nicht alles machen! Sicherlich mehr als sinnlos wiederholte Akkordbrechungen, Triller und Passagen mit Flatterzunge. Dazu ist gerade diesem Instrument eine überbordend reiche Geschichte eingeschrieben, beginnend mit der arkadischen Welt der Hirten über die Sphäre des barocken Hofes, die Mozart nicht leiden konnte, bis hin zum unheimlichen Hauchen der tiefen Lage in heutiger
Musik.
Der Pariser Professor für Instrumentation Marc-André Dalbavie, Jahrgang 1961, Schüler immerhin von Tristan Murail, ließ sich jedoch nicht besonders interessiert auf das Soloinstrument ein, als er von Emmanuel Pahud, dem ehemaligen Münchner und gegenwärtigen Berliner Philharmoniker, einen Auftrag für ein neues Konzert erhielt, dessen Uraufführung dieser 2006 spielte.
Wie hätte es sonst sein können, dass Dalbavie es schafft, seinen Solisten noch in den ersten Minuten durch ein viel zu massives Orchester hoffnungslos zuzudecken? Während das ja noch als ein Fauxpas verzeihbar wäre – wobei eine luzide Instrumentalbegleitung ja zu seinem ureigenen Fachbereich gehören würde –, ist Herman van Kogelenberg doch dafür zu bedauern, dass er nicht einmal annähernd vorführen kann, was er drauf hätte. Seinen festen Ton, seine Beweglichkeit, die Eleganz der Linienführung
kann der Münchner philharmonische Soloflötist in manchem regulären Orchesterwerk freier entfalten. Vollends wird die Geduld des Hörers durch die Naivität auf die Probe gestellt, mit der Dalbavie die Orchesterkulisse mit faden Glissandi, Tremoli und Akkordballungen bestreitet, als müsste hier wie in einer Filmmusik eine vorgegebene Zeitdauer hereingequält werden.
Der Dirigent Lionel Bringuier entwickelt am Pult der Münchner Philharmoniker weitaus mehr Interesse am Flötensolisten als der Tonsetzer selbst, er begleitet so verständnisvoll wie möglich und veredelt das Einfallslose nach Kräften. Auch versteht er sich auf Antonin Dvoráks mittlere Symphonik, die, das muss man so sagen, ganz zu recht selten gespielt wird, angesichts der nicht zu kittenden Diskrepanz von zyklischem Anspruch und nie ganz genügender Ausführung. Es ist die beste Strategie, in der 5. Symphonie F-Dur sowohl die Naturseligkeit als auch die schmalbrüstige Dramatik in einem leichten und flüssigen Gestus zu halten und so einander anzunähern.
So behauptet die Musik nichts, was sie nicht einlösen kann, und die Philharmoniker, man höre etwa die schmelzenden Violoncelli, haben hörbar Vergnügen an den Untiefen der Mittelsätze. Das substanzreichste Stück dieses Programms ist hier einmal die Ouvertüre, „Le Corsaire“ von Hector Berlioz, mit unvorhersehbarem Witz und hinreißend anspringenden Tutti zum Explodieren gebracht.