Herbert Grönemeyer im AZ-Interview

Er ist so entspannt wie nie und tanzt auf allen Bühnen: Herbert Grönemeyer kommt am Montag in den Circus Krone
Michael Fuchs-Gamböck |
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Er ist so entspannt wie nie und tanzt auf allen Bühnen: Herbert Grönemeyer kommt am Montag in den Circus Krone

Von wegen, „Grönemeyer kann nicht tanzen“, wie Bela B. und der spitzzüngige Wiglaf Droste
1989 auf einer Single behaupteten. Der Mann tanzt mittlerweile an jedem Konzert-Abend, geradezu wie ein Derwisch! Vielleicht nicht klassisch elegant, dafür umso leidenschaftlicher. Sein Konzert im Circus Krone am Montag ist ausverkauft, der Mitschnitt seines Konzerts in Montreux 2012 ist auf DVD überall erhältlich.

AZ: Herr Grönemeyer, im Vergleich zu früher wirken Sie wie ausgewechselt: Sie reden, tanzen, albern, wirken entspannt. Sind Sie inzwischen der „lässige Live-Herbert“?
HERBERT GRÖNEMEYER: Wenn ein Konzert drei Stunden dauert, merke ich das gar nicht. Ich bewege mich auf der Bühne in einer Art Zeitschleife. Wenn es mir an einem Abend Spaß bereitet, machen die Band und ich weiter und weiter. Und Zugaben fallen häufig endlos aus, denn sie sind das Dessert jedes Auftritts. Während ich mich früher meist hinter dem Klavier versteckt und von dort eher steif fungiert habe, bin ich heutzutage als Frontmann präsent, immer hinterm Mikrofon, gerne auch mit Gitarre.

Das Live-Spielen bereitet demnach mehr Spaß als früher?
Die Lust darauf wächst von Tour zu Tour. Die Musiker an meiner Seite sind extrem gut, da macht das Spielen erst recht Freude. Und während wir früher musikalische Partner waren, bezeichne ich uns heutzutage als echte Freunde.

Sind Sie auch auf Grund Ihrer aktuellen persönlichen Umstände live so entspannt?
Natürlich spielt das private Umfeld immer eine Rolle dafür, wie man sich nach außen gibt. Ich bin heutzutage ein sehr entspannter Mensch. Doch vorne auf der Bühne zu stehen, kostet mich nach wie vor Überwindung, das gebe ich gerne zu. Wir Frontmänner sind das, was Torhüter beim Fußball sind – entscheidend für Sieg oder Niederlage.

2012 haben Sie bereits zum zweiten Mal in Montreux anlässlich des legendären „Montreux Jazz Festivals“ einen Auftritt absolviert. Ist der Standort etwas Besonderes für Sie?
Montreux ist ein Platz, an dem das Publikum zeigt, dass es Musik mit Haut und Haar liebt. Wenn du solch ein Publikum kriegst und überzeugst, dann ist das herrlich, dann schmeichelt einem das auch. Das Konzert 2012 hatte eine zarte Schönheit.

Der Zugaben-Block beim Auftritt in Montreux 2012 war beinahe so lang wie das reguläre Set.
Natürlich wussten wir, dass aus diesem Konzert eine DVD von zumindest zwei Stunden Spieldauer entstehen soll. Aber letztlich hat der Gig drei Stunden gedauert. Und das lag ausschließlich daran, dass die Stimmung an jenem Abend überwältigend war, dass wir auf der Bühne eine immense Freude an der Sache hatten und sich die Geschichte letztlich zu einem positiven Selbstläufer entwickelt hat.

Neben der Montreux-DVD ist heuer auch die englischsprachige CD „I Walk<MD“ erschienen.
Das ist eher etwas für Spezialisten! Man muss sich darunter eine Art Unplugged-Angelegenheit vorstellen. Es gibt schon bestehende Lieder von mir auf Englisch, in alternativen Versionen, darunter drei Duette, mit Bono von U2, James Dean Bradfield von den Manic Street Preachers und Antony Hegarty von Antony And the Jonsons.

„Musik verwässert Sprache“, haben Sie kürzlich gesagt. Sie legen doch offensichtlich großen Wert auf die Qualität?
Eigentlich habe ich mich immer eher als Sänger, denn als Texter gesehen. Ich bin zum Schreiber von Versen zwangsweise geworden, da die Texte auf meinen ersten Alben von fremden Autoren kamen und für mich eher schlecht waren. Also habe ich mich selbst ans Werk gemacht. Doch wie gesagt, in erster Linie ist meine Leidenschaft das Singen. Was ich mit dem Spruch gemeint habe, ist, dass Musik der Sprache oft ihre Kraft entzieht. Deshalb verwende ich gerne bockige Wörter, kernige Ausdrücke. Meine Worte müssen in der Regel viel Kraft und Energie besitzen, damit sie der Musik gewachsen sind. Außer bei Liebesliedern, da setze ich auf Emotion pur, gerne auch mal auf eine Prise Kitsch.

Angeblich stimmen Sie sich mit dem Lesen von Lyrik auf das Schreiben der eigenen Verse ein…
Denn ich bin kein großer Schreiber. Außer Liedtexten verfasse ich nichts, nicht mal Briefe, schon gar keine Kurzgeschichten oder gar Romane. Um Himmels Willen! Beim Studieren der Werke von anderen fallen mir immer mal wieder interessante oder schöne Wörter auf, die ich mir notiere und eventuell verwende. Der Begriff „Schiffsverkehr“ ist auf diese Art kleben geblieben und jetzt der Titel meiner aktuellen Platte.

Ist es richtig, dass Sie mit Ihren Texten gerne irritieren, obwohl die Öffentlichkeit Sie eher „als authentischen Künstler“ wahr nimmt?
Das Absurde und auch Alberne ist in meinen Texten eher versteckt. Aber beides ist unbedingt vorhanden! Die Mehrzahl meiner Lieder hat mit meinem Leben wenig bis nichts zu tun, Autobiografisches ist rar gesät.

Vermutlich sind Sie zu einer solch autobiografischen Figur im November 1998 geworden, als das Schicksal Sie gnadenlos attackiert hat: Innerhalb von zwei Tagen starb einer Ihrer Brüder sowie Ehefrau Anna.
Bis zu jenen tragischen Ereignissen war mein Privatleben in der Öffentlichkeit kaum bekannt, was ich sehr genossen habe. Unmittelbar nach den zwei Todesfällen bekam ich allerdings geballte Anteilnahme. Das war sehr berührend und hat mich zutiefst bewegt. Doch wenn ich heutzutage, über 13 Jahre später, immer noch darauf angesprochen werde, ist mir das zu weit hergeholt. Mein Leben geht ja weiter, man muss nach vorne schauen, darf nicht in der Vergangenheit stehen bleiben. Mir ist es wichtig, auch für meine beiden Kinder, dass ich ein gesteigertes Maß an Privatsphäre besitze. Dieser Wunsch drückt sich auch in meiner Arbeit aus: Mit „Schiffsverkehr“ bin ich zurückgekehrt zum erzählerischen Schreiben, die Inhalte der Lieder haben kaum mit meinem Alltag zu tun.

Um Ihr Privatleben zu schützen, sind Sie vermutlich nach London gezogen.
Wo ich auch weiterhin ungefähr die Hälfte des Jahres lebe, den Rest der Zeit in Berlin, wo ich gleichfalls relativ anonym lebe. Gerade für meine Kinder war der Umzug nach London kurz vor dem Tod ihrer Mutter wichtig, um auch eine räumliche Distanz zu den tragischen Ereignissen zu schaffen. Außer unseren unmittelbaren Nachbarn wusste in England niemand etwas von meinem Schicksal – und diese Menschen, die bis heute Freunde sind, waren weniger betroffen als vielmehr loyal zu uns. Das war sehr, sehr schön! Denn ich bin durchaus jemand, dem Anteilnahme nahe geht. Aber irgendwann muss es damit auch gut sein. Denn eigentlich bin ich ja ein gnadenloser Optimist, was unser Dasein angeht.

„Herbert Grönemeyer – Live at Montreux 2012“ (DVD). Das Konzert am Montag, 20 Uhr, im Circus Krone, ist ausverkauft

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