Herbert Blomstedt dirigiert: Neugierde altert nicht

Herbert Blomstedt und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Werken von Beethoven und Stenhammar.
Robert Braunmüller
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Herbert Blomstedt dirigiert die "Eroica".
Herbert Blomstedt dirigiert die "Eroica". © Astrid Ackermann

München - Er ist jetzt 94 Jahre alt und dirigiert noch immer im Stehen und ohne einen Stuhl im Rücken. Wenn Herbert Blomstedt die "Eroica" dirigiert, liegt zwar vor ihm die Partitur auf dem Pult zwischen dem Dirigenten und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, aber sie bleibt unaufgeschlagen. Auf ihr Gedächtnis können sich ältere Herren eben verlassen.

Blomstedt möchte die Musik von  Stenhammar bekannter machen

Blomstedt hat außerdem eine Mission: Er möchte die Musik von Wilhelm Stenhammar bekannter machen. Dessen Klavierkonzert Nr. 2 stammt zwar aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, könnte aber auch im Umfeld von Mendelssohn und Grieg entstanden sein. Denn der Hymnus, mit dem das Werk endet, könnte auch in der "Schottischen" stehen.

Der Solist und das Orchester verfolgen allerlei Parallelaktionen. Schon nach zehn Minuten donnert es verdächtig nach Schlussakkord, aber es geht - durchaus interessant - noch ein Weilchen weiter. Aber es ist nicht so, dass nun die Musikgeschichte umgeschrieben werden müsste, und bei der Zugabe des Pianisten Martin Sturfält am Donnerstag scheint es, als hätte Stenhammar die kleine Form eines Impromptus mehr gelegen als die große eines Klavierkonzerts.

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Im mit 25 Prozent von getesteten und maskierten Geimpften oder Genesenen spärlich besetzten Hochsicherheitsgebiet Herkulessaal dann die Eroica: Blomstedt demonstrierte exemplarisch, dass es beim Dirigieren nicht auf die virtuose Schlagtechnik ankommt, sondern auf die Persönlichkeit. Zwar wackelte es gelegentlich, dafür wurde aber mit einem konzentrierten Engagement gespielt, wie es beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sonst nur noch vorkommt, wenn der designierte Chefdirigent am Pult steht.

Weil sich bei Beethovens Dritter die Höhepunkte ohnehin von selbst einstellen, konzentrierte sich Blomstedt vor allem auf die Um- und Seitenwege, die zu diesen Gipfeln führen. Selten brachte ein Dirigent die immer wieder neu ansetzenden Steigerungen, Energieschübe und Entwicklungen in den Ecksätzen so deutlich heraus, ohne das Orchester unnötig zu drängen.

Im Moment dürfen nur 25 Prozent der Plätze besetzt werden.
Im Moment dürfen nur 25 Prozent der Plätze besetzt werden. © Astrid Ackermann

Leicht verkleinerte Orchesterbesetzung  erweist sich als Gewinn

Der Klang blieb altdeutsch scharf, mit leicht zwiebeligen Streichern im Vordergrund, Schärfe und einer Spur von Rumpelfuß. Aber das störte kaum. Dabei erwies sich die leicht verkleinerte Orchesterbesetzung als Gewinn: Sie brachte, anders als sonst, den Herkulessaal nicht ständig an seine akustischen Grenzen. Und wenn es laut wurde, dann blieb es ohne das sonst hier übliche Dröhnen auch schön.

Der Fall Stenhammar beweist übrigens, dass sich bei Veranstaltern, Orchestern und dem Publikum sehr wohl unbekanntere Werke durchsetzen lassen. Diverse Komponistinnen dürften mindestens genauso interessante und womöglich sogar aufregendere Klavierkonzerte und Symphonien als dieser schwedische Spätromantiker hinterlassen haben. Es müsste sich nur ein Dirigent vom Gewicht Blomstedts dafür einsetzen. Er selbst muss es allerdings bis zu seinem100. Geburtstag nun nicht auch noch selbst erledigen.


Ein Video des Konzerts gibt es auf der Homepage von BR-Klassik

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  • Chroniker am 11.12.2021 21:27 Uhr / Bewertung:

    Auch ich fand die Aufführung der Eroica dank Herbert Blomstedt toll. Aber eine Frage: Bei dem Foto hatte ich den Eindruck, dass nicht einmal die 25% der in den Verkauf geratenen Plätze besetzt waren. Kann das sein? Auch für die nächsten Konzerte des BRSO mit Igor Levitt und Manfred Honeck gibt es noch ziemlich viele Tickets. Das sollte den Befürwortern eines neuen Konzertsaals doch mal zu denken geben.

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