Helge Schneider: "Nur nicht einrosten"

Vor wenigen Wochen hat er sein neues Jazz-Album veröffentlicht, jetzt nutzt Helge Schneider die Gelegenheit, das Album - neben anderem Blödsinn - live vorzustellen.
AZ: Herr Schneider, endlich wieder Bühne! Wie fühlt sich das an?
HELGE SCHNEIDER: Mein erster Auftritt nach der langen Pause war neulich in Recklinghausen, in einem Sportstadion, bei geschätzten 70 Grad auf der Bühne. Der Flügel ging dadurch aber ganz gut, weil der so ein bisschen ausgetrocknet war, total bequem zu spielen. Der Abstand von der Bühne zum Publikum waren 25 Meter. Fühlt sich erstmal komisch an, wenn man so lange nicht aufgetreten ist. Aber es war sehr, sehr, sehr erbauend.
"Ein Jahr Pause reicht. Sonst rostet man"
Wie sind Sie durch diese komische Zeit gekommen? Ihren Facebook-Posts zufolge musste man zuweilen ja ein Karriereende befürchten.
Das war ziemlich am Anfang der Pandemie. Ich habe dann die Zeit genutzt, bin gut damit klargekommen, bin ja jahrelang sehr viel aufgetreten, und da ist es ganz angenehm, mal ein Jahr keine Konzerte zu machen.
Echt jetzt? Hat Ihnen die Bühne gar nicht gefehlt?
Konzerte sind Schwerstarbeit, und wenn man sich mal ein Jahr ausruhen kann: Ist doch auch gut. Aber ein Jahr reicht. Sonst rostet man.
Reden wir über Jazz, den Kern des neuen Albums. Wie, wann und in welcher Form ist der zu Ihnen gekommen?
Der kam aus dem kleinen Radio, das ich von meiner Oma geschenkt bekommen und das ich immer nachts heimlich unter der Bettdecke gehört habe. Das war so 1963/64, da war ich acht. BFBS, British Forces Broadcasting Service, ein englischer Sender. Die spielten viel Louis Armstrong, Ron Kirk, Miles Davis, aber später auch Rock, Santana und so. Ich fand aber auch Elvis gut. Die erste Single, die ich mir gekauft habe, war "In the Ghetto", wenig später dann "Honky Tonk Woman" von den Stones. Parallel habe ich aber auch Jazz gehört. Meine drei Jahre ältere Schwester brachte Schallplatten mit, von Herbie Mann. Im Müll habe ich mal eine Miles-Davis-Platte gefunden: Die hab' ich jeden Tag hundert Mal gehört. Da war ich so zwölf. Und als ich Konfirmation hatte, habe ich mir von dem Geld, das mir die Verwandten zugesteckt hatten - 300 Mark waren das -, für 50 Mark ein Gummiboot gekauft und für 250 Mark ein Kontrabass.
Warum denn gerade ein Kontrabass?
Ich wollte eigentlich eine Trompete oder ein Saxofon, aber der Mann meinte: "Ich hab' was Besseres für dich: Da, haste ein Kontrabass."
"Ich glaub' ich hab' 50 Gitarren. Oder lass mal 60 sein"
Sie spielen doch eh alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Wie viele Instrumente stehen bei Ihnen zuhause rum?
Viele Gitarren, Orgeln, Klaviere, Vibrafon, ein paar Synthesizer, so alte Sachen. Ich hatte mal eine Phase, da hab' ich ständig Gitarren gekauft, mich verliebt in jede Gitarre, die ich gesehen habe. Dabei spiele ich gar nicht Gitarre. Ich glaub' ich hab' 50 Gitarren. Oder lass mal 60 sein.
Gibt es ein Instrument, das Sie nicht beherrschen?
Oboe, Fagott oder Harfe: kann ich nicht. Da krieg' ich höchstens Atemnot.
Ihr neues Album "Die Reaktion - The Last Jazz Vol. II" haben Sie wieder im bewährten Multiplay-Verfahren eingespielt, von der Stopf-Trompete bis zum Stride-Piano. Künstlerisch natürlich anspruchsvoll, aber ist das nicht eine arg einsame Veranstaltung?
Bei einer Nummer, dem "Tedd Walk", spielt ja der Charlie mit, mein jüngster Sohn. Der spielt Schlagzeug.
"Auf meinen Sohn kann ich mich verlassen"
Stimmt es, dass er in den Schulferien Teil der Band ist und auch mit auftritt?
Ja, ich kann mich auf ihn verlassen. Das ist gut.
Nicht schlecht für einen Elfjährigen.
Der hört, richtig gut. Mit dem kann man gut zusammenspielen. Das ist das Wichtigste überhaupt.
Ihre fünf anderen Kinder haben es nicht so mit der Musik?
Mädchen mit jetzt bald 14 Jahren sind ja eine ganz besondere Erscheinung. Wenn die in die Pubertät kommen, muss man einfach akzeptieren, dass die einem wochenlang nicht "Guten Tag" sagen.
Helge Schneider spielt von Sonntag bis Dienstag drei Konzerte im Innenhof des Deutschen Museums, Karten unter Telefon 089-344974