Kritik

Hans Zimmer in der Olympiahalle: Symphonisches Theater für alle

Hans Zimmer liefert in der ausverkauften Olympiahalle eine völkerverbindende Show der Superlative.
von  Florian Koch
Hans Zimmer (Mitte), Komponist, Plattenproduzent und zweifacher Oscar-Preisträger, hier bei seinem Konzert vergangene Woche in Mailand.
Hans Zimmer (Mitte), Komponist, Plattenproduzent und zweifacher Oscar-Preisträger, hier bei seinem Konzert vergangene Woche in Mailand. © Elena Di Vincenzo/ Mondadori Portfolio via Zuma/dpa

Den frisch errungenen Oscar hat er am Ende doch nicht mehr ausgepackt. An oscarwürdigen Momenten mangelt es beim Auftritt von Hans Zimmer in der mit fast 10.000 Zuschauern ausverkauften Olympiahalle dennoch nicht.

Schon zu Beginn Standing Ovations

Standing Ovations bereits nach zwei Stücken, aber nicht für den fast etwas verhaltenen Einstieg, mit dem preisgekrönten "Dune"-Soundtrack, sondern für die emotionalen Worte des in Hollywood derzeit erfolgreichsten Filmmusik-Komponisten. Vor 858 Tagen hätte er die Tournee geplant, dann kam Corona und später weitere Sorgen mit dem Krieg in der Ukraine.

Direkt betroffen ist Zimmer nicht, ein Gros seiner Musiker setzt sich jedoch aus dem Odessa Opera Orchestra zusammen. Zehn Künstlerinnen hätte er aus der Ukraine noch herausholen können, sie sind nun mit ihm auf Tour. Bei ihrer Vorstellung werden sie vom solidarischen Publikum heftig beklatscht, während Zimmer unter seinem blauen Sakko ein "Peace"-T-Shirt enthüllt.

Hans Zimmer: aufgewachsen in München

"Zurück in meiner Heimat" - aufgewachsen ist Zimmer in München - widmet der gebürtige Frankfurter diesen starken Frauen dann auch ein Medley aus dem Comic-Film "Wonder Woman 1984". Für Zimmer, der in seinen opulenten Soundtracks auch das Pathos nicht scheut, ist das aber noch nicht genug an Symbolik.

Auf einem gewaltigen Videoscreen überblendet er die ukrainische Flagge mit ernsten Gesichtern von Soldatinnen. Eine große, durchaus grenzwertige Hollywood-Inszenierung, die aber nicht darüber hinwegtäuschen soll, mit welcher filmisch geschulten Perfektion der Komponist sein Publikum zu begeistern versteht.

Der Komponist lässt sein Team glänzen

Zimmers Charme besteht neben seinen Qualitäten als Conférencier schlichtweg darin, sich selbst, auch in seinen Kurzeinsätzen an der Gitarre oder am Keyboard kleinzumachen, um sein aus allen Teilen der Welt zusammengestelltes Team dafür umso mehr glänzen zu lassen. Gerade in der ersten Hälfte des mit Pause knapp dreistündigen Abends steht seine Band im Rampenlicht, während sich Zimmer als vom Können seiner Spielkameraden hingerissener Superfan gefällt.

Minutenlange Soli

Glaubwürdig entrückt ist der Rockstar unter den Filmkomponisten ("Noten lesen ist nicht so meins") vom minutenlangen, an das Spiel von Brian May erinnernde E-Gitarrensolo von Guthrie Govan bei "Man of Steel", während Pedro Eustache unter Ovationen den "Gladiator"-Mix mit der betörenden armenischen Flöte Duduk eröffnet. Kurz vor der Pause ist es dann die wild am Auge bemalte E-Cellistin Tina Guo, die in "Fluch der Karibik" die Piratin in sich entdecken darf.

Da passt es gut ins Bild, dass der Teamspieler Zimmer seinen gerade eingeheimsten zweiten Oscar wie als Randnotiz nur kurz erwähnt und auch hier die Leistung seiner Band in den Vordergrund stellt. Warum nun dieser von Klassik-Puristen für seine Vorliebe für eingängigen, an elektronischen Effekten reichen Sound-Bombast nicht immer geschätzte Künstler weltweit nahezu jede größere Konzerthalle ausverkauft, beweist er im verblüffenden zweiten Teil seiner Show.

Einlage in Lederhose

Bereits Zimmers Musikauswahl, die sein weniger pompöses Frühwerk nahezu ausklammert, ist jetzt weniger an tosender Percussion-Power als an ein Maximum an Abwechslung interessiert. "Rango" gefällt gleich zu Beginn mit seinen leichtfüßigen Banjo-Anspielungen an das Western-Genre. Und Zimmer gönnt sich dabei auch den Spaß in "meinem München" ein bisschen "verrückt" zu spielen und ausstaffiert mit Lederhose und Gamsbart einen Jodler in die Suite mit einzubauen.

Auch hier zeigt sich, dass der 64-Jährige mittlerweile ein Meister darin ist, seine Soundtracks live aufregend neu zu arrangieren und mit ihnen zu spielen, ohne dass sie dabei ihren Wiedererkennungswert verlieren. Konsequent verzichtet Zimmer im Gegensatz zu manch anderem Kollegen auf stützende Filmschnipsel oder auch nur die Nennung der jeweiligen Titel. Nicht verzichten will so ein Inszenierungs-Profi wie Zimmer aber auf eine ihm angemessene Blockbuster-Bildsprache.

Vielsagende Blockbuster-Bildsprache

Während im ersten Teil Motive wie eine stürmische See ("Fluch der Karibik") noch relativ simpel den Bezug zur Vorlage untermalen, bricht in "The Dark Knight" passend zum tosenden Hard-Rock-Gewitter ein schwarz-weißer, wabernd-verrauschter Fledermaussturm los. Und im hypnotischen "Interstellar"-Geigensolo darf eine gewaltige Discokugel angestrahlt wie ein fremder Planet außerweltlich funkeln, während eine Artistin an Seilen sich in die recht endlichen Weiten des Olympiahallen-Weltraumdachs aufmacht.

Dramaturgisch perfekt schließt sich der Konzert-Kreis noch vor der Zugabe ("James Bond") mit einer Hommage an mit dem ewigen "Circle of Life" aus dem "König der Löwen". Für den hatte Zimmer vor nunmehr 28 Jahren seinen allerersten Oscar bekommen und eine Weltkarriere ihren Lauf genommen.

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