Günther Groissböck singt die "Winterreise" von Franz Schubert

Ein Kreuzweg vor Winterlandschaft: Günther Groissböck singt Franz Schuberts Zyklus „Die Winterreise“ in einer Fassung mit Kammerensemble
von  Robert Braunmüller

Ein Sänger, ein Pianist: Franz Schuberts „Winterreise“ ist eigentlich perfekt. Muss man diesen Liederzyklus bearbeiten? Alexander Krampe hat eine Fassung für fünf Streicher, drei Bläser, Gitarre und Akkordeon bearbeitet. Und er hat Günther Groissböck für die Uraufführung gewonnen. Der österreichische Bassist, der mit seinem sensationellen Ochs im „Rosenkavalier“ der Salzburger Festspiele begeisterte, singt den Zyklus am Samstag und Sonntag mit dem Orchester der Kammeroper München in der Allerheiligen Hofkirche.

AZ: Herr Groissböck, worum geht es in der „Winterreise“ eigentlich?

GÜNTHER GROISSBÖCK: Das lyrische Ich irrt, von seiner Geliebten verlassen, durch eine „Winterlandschaft“. Es ist wie ein Kreuzweg. Manchmal reicht einem – gut katholisch gesprochen – Veronika ein Schweißtuch. Man geht da durch, wird erschlagen und leidet mit. Hin und wieder gibt es eine gewisse Aufhellung.

Besteht da nicht die Gefahr, dass eine Ensemblefassung das Existenzielle versüßt?

Ein pseudosymphonischer Brei darf da nicht entstehen. Aber auch in den letzten Liedern ist die Stimmung der Einsamkeit sofort da, wenn nur drei Instrumente spielen. Da findet die Ausdünnung auch musikalisch statt.

Die Instrumente könnten auch eine Einladung an den Sänger sein, auf Kosten der Intimität opernhaft aufzudrehen.

Bei Liedern wie „Auf dem Flusse“ bin ich dankbar, wenn ich mein Instrument etwas mehr strömen lassen kann, als es in einer Aufführung mit Klavier möglich wäre. Andere Stellen sind aber auch mit dem Kammer-Ensemble so heikel, delikat und zerbrechlich wie in einer Aufführung mit Klavier. Sich durchschwindeln kann man bei Schubert nie.

Braucht der überhaupt eine Bearbeitung?

Man weiß, dass Schubert seine Lieder im Rahmen von Landpartien nicht nur mit Klavier, sondern auch zur Gitarre aufgeführt hat. In einige Lieder abseits der „Winterreise“ wie etwa dem „Ständchen“ hört man die Gitarrenzupfer heraus. Die Ensemblefassung gibt der Musik noch einmal eine andere Klangfarbe. Ob es gefällt, überlassen wir dem Publikum.

Meistens hört man die „Winterreise“ von einem Bariton. Was spricht für einen Bass?

Die Trostlosigkeit und Düsternis der Lieder. Dafür passt ein Bass sehr gut.

Wie würden Sie Ihre Stimme beschreiben?

Ich bin ein Basso cantante mit einem schlummernden heldenbaritonalen Kern – zumindest von der Energie her. Ob es die Stimme hergibt, müssen andere beurteilen. Ich versuche, so weit das geht, das Durchleben und Leiden als glaubhaftes lyrisches Ich wiederzugeben, um dem Hörer zu zeigen: Der da vorn hat das durchlebt.

Alexander Krampes Fassung wurde laut Facebook erst am vergangenen Samstag fertig. War das nicht etwas arg knapp?

Ich fühle mich dadurch zurückversetzt in die Zeit der Entstehung. Es war eine sehr lustvolle Arbeit – nicht nur eine Wiedergabe, sondern ein Mitwirken am schöpferischen Prozess. Wir haben uns vorher über die Grundline verständigt und die Tonarten festgelegt. Alexander Krampe hat mir in den letzten Wochen jedes fertige Stück nach New York gemailt. Da habe ich in der Garderobe der Metropolitan Opera die Bearbeitung mit der Klavierfassung verglichen und versucht, mir die Musik vorzustellen.

Wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt?

Alexander Krampes Mutter war Besetzungschefin im Theater Klagenfurt. Sie hat mich entdeckt, und dort habe ich mit 25 Jahren meinen ersten Sarastro gesungen. Ich bin dank der Bayerischen Staatsoper öfter in München. Wir haben zusammen über verrückte Ideen gesprochen und sind so auf die „Winterreise“ gekommen.

Allerheiligen Hofkirche, Sa., 19 Uhr und So., 17 Uhr. Restkarten an der Abendkasse

 

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