Große Stimmen, große Show
Alle drei freuen sich tierisch, im Zirkus auftreten zu dürfen. Jamie Cullum verrät, dass es lecker nach Elefantenkacke duftet, wenn er das Fenster zu seiner Garderobe öffnet: „Very exotic“. Gregory Porter wiederum kann sein Glück nicht fassen, dass er auf dem Weg zur Bühne echte Löwen in echten Käfigen gesehen hat. Und stimmt dazu mit seiner mächtigen Stimme, die auch einem Löwen zur Ehre gereichen würde, den dazu passendsten Song an: „Be Good (Lion’s Song)“ handelt von einem Mann, den eine Frau wie einen Löwen in einem Käfig des Wohlverhaltens auf Abstand hält. Lizz Wright wiederum, die große introvertierte Sängerin redet natürlich weniger als der extrovertierte Porter und der hyperaktive Jamie Cullum. Immerhin verrät sie, froh zu sein, endlich auch auf dieser Bühne zu stehen, von der sie schon oft gehört habe.
Der jazzigste von allen dreien ist Gregory Porter, der große Mann mit der seltsamen Kopfbedeckung und der besten männlichen Stimme, die es in diesem Jahr zu entdecken gab. Bei ihm und seiner vierköpfigen Band geht der Jazz im Rhythmus und im Geist der Gospelekstase so richtig ab, dass sich der Zirkus gleich in eine Gospel-Kirche verwandelt. Aber Porter kann auch Balladen und was für welche: Bei „Wolfcry“ fließt seine Stimme so warm und dunkel wie flüssige Schokolade durch den Song. Zartbitter und sehr, sehr stark.
Lizz Wright beginnt ihre Gospel- und Bluesnummern so akustisch und konzentriert, als ob sie sich den Gospel-Funk am Ende ihres Sets durch musikalische Meditation erst verdienen müsste. Die exzellente Band – eine Mischung aus Unplugged- und Slidegitarrensound, der im Lauf des Sets immer elektrischer wird – folgt ihr dabei auf Schritt und Tritt. Und das alles in einem unglaublich packenden Spannungsbogen, bei dem – bis auf wenige Soli – immer der Song und die Stimme im Mittelpunkt stehen. Einer Stimme von herber Schönheit, die Lizz Wright ganz wunderbar einzusetzen weiß – schnörkellos packend.
Stimmlich kann Jamie Cullum weder mit Porter noch Lizz Wright mithalten. Dafür knödelt und näselt es zu sehr, wenn er – wie im Circus Krone – „Blackbird“ von den Beatles anstimmt. Am Klavier aber geht Cullum in wenigen Takten so ab wie andere Pianisten ihr ganzes Leben lang nicht.
Spätestens mit dem aktuellen Album „Momentum“ und Auftritten wie diesen ist Cullum längst in einer anderen Kategorie: Aus dem singenden Pianisten, dessen Jazz so struppig wie seine Frisur und so poppig wie seine Plattensammlung klingt, ist ein Popmusiker geworden. Die gegen den Strich gebürsteten Jazznummern gibt es zwar immer noch - „Just One Of Those Things“ etwa oder eine „Love for Sale“-Version im Bristol-Sound, zu der Cullum ein Bad in der Menge nimmt. Aber im Grunde macht er heute Pop, der mal nach gedoptem Elton John oder Indie-Rock klingt - wenn es denn Indie-Rock mit Klavierbegleitung gäbe. Ein Pop-Zirkus mit gelegentlichen Jazzausflügen, Beatboxing und Perkussionseinlagen.
Zusammengehalten wird das alles von einem der besten, hyperaktivsten und lustigsten Entertainer, die es zu erleben gilt: Niemand springt so toll vom Flügel herunter wie Jamie Cullum, niemand hüpft so wie ein Gummiballball über die Bühne. Niemand hat die Energie, zwischen Klaviersolo und Gesang auf alles einzutrommeln, was Trommel ist oder sich auch nur entfernt zum Drauftrommeln anbietet. Und niemand macht so lustige, so nette und so britische Ansagen wie er.
- Themen:
- Circus Krone
- Elton John
- The Beatles