Granatwerfergitarre

Er spielte als junger Sessionmusiker mit den Größen des Geschäfts, war Mitglied der Yardbirds, bis er mit Led Zeppelin die Zukunft erfand: Jimmy Page wird 70
Christian Jooß |
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Da ist dieser Fotograf – unterwegs im London der 60er. Er lässt sich von einem elektrischen Brizzeln leiten, das zum Tosen wird und findet sich in einem Club wieder. Das Publikum steht totenstarr da. Auf der Bühne wütet eine Band im beatrockenden Inferno. Dann muckt Jeff Becks Verstärker. Gleich wird er mit der Gitarre gegen ihn schlagen, wird seine Gitarre zertreten. Jimmy Page auf der rechten Bühnenseite schafft weiter – ungerührt. Beck wirft seinen Gitarrenhals ins Publikum, das tobend explodiert.

In Antonionis Film „Blow Up“ sieht man die Yardbirds, kurz bevor Beck aussteigt. Wie sie so tun, als wären sie The Who. Man sieht eine Band in Auflösung, durch die mit Eric Clapton, Beck und Page drei der einflussreichsten Gitarristen der Rockgeschichte gegangen sind. Und man spürt, dass eine E-Gitarre mehr ist als ein Instrument: Sie ist Fetisch, Zeremonialgegenstand des Rock-Ritus’, Zauberstab der Priester der Jugend – mit dem Jimmy Page, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, eine Band erwecken wird, die Jahrzehnte der Musik vorwegnimmt.

1955 hält der Londoner Junge seine erste Gitarre in der Hand. Er ist elf. Ein Jahr später wird sich ein junger Typ in Memphis ein paar Minuten Aufnahmezeit in den Sun-Studios leisten und als Elvis Presley die Rock-Revolution starten. Page hört den Elvis-Gitarristen Scotty Moore und wird mit 13 in die Skiffle-Szene eintreten. Er geht mit The Crusaders auf Tour, bis er an Drüsenfieber erkrankt und als Studiomusiker weiterarbeitet. The Who, The Kinks, Marianne Faithfull – Page ist gerade mal um die 20. Endlich, 1968, rastet für diesen überbegabten Gitarrenmaniac die Karriere ein.

Unter einem Plattenladen in der Londoner Gerard Street spielen sie das erste Mal zusammen. Page, die blonde Sängergranate Robert Plant, das Bassistenkreativmonster John Paul Jones und John Bonham – Drummerdonnergott mit dem Groove-Gefühl in den härtesten Momenten. Dass sie kurzfristig noch als New Yardbirds tourten, ist vergessen, als Led Zeppelin landet. Das Albumcover ihres Debüts zeigt die Hindenburg im Feuerball. Die erste Seite eröffnet mit dem Drum-Sound-Strudel von „Good Times Bad Times“. Im Downstrokes-Riff von „Communication Breakdown“ auf der zweiten Seite erlebt man die Zellteilung des Heavy Metal. Die Klangvision von Led Zeppelin ist viel mehr als eine harte Version von Rock’n’Roll.

Die SG-Doubleneck von Gibson, die Gitarre mit den zwei Hälsen, ist rückenschädigendes Folterinstrument für Gitarristen. Sie bringt on stage die zwei Seiten des Jimmy Page zusammen. Oben die zwölf Saiten für all die am keltischen Folk interessierten Töne. Unten sechs Saiten für den Rock, der Steine sprengt.

Bei „Whole Lotta Love“ auf dem zweiten Album fetzt Page mit dem Plektrum am Ende des Riffs über die Saiten, dass es klingt, als wäre die Liebe ein Granatwerfer. Auf dem dritten Album zeigt er bei „Celebration Day“, wie sich der Blues der Zukunft anhört. Und auf „Houses Of The Holy“ kristallisiert in der Stratosphäre dieser Band der Sound zu Eisblöcken. Sie sind eine Macht. Sie haben eine eigene Boeing 720. Und dann, in dieser Septembernacht 1980, erstickt John Bonham an seinem Erbrochenen.

Mehr als 20 Millionen Menschen sollen sich für ihr Konzert am 10. Dezember 2007 in London um Karten beworben haben. Eine wahre Wiedervereinigung scheiterte an Robert Plant. Jimmy Page wäre mit dem Arbeitsethos eines Session-Mannes dabeigewesen. Die Nachgeborenen tragen an ihrem Erbe. Sie waren die größte Rockband der 70er.

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