Gergiev: Flopp mit Wagner in Birmingham

Eine Marke im Sinkflug: Valery Gergievs „Ring“ gerät zur Pleite, und in Saarbrücken lädt man den Dirigenten gar nicht erst ein
von  Robert Braunmüller

Eine Marke im Sinkflug: Valery Gergievs „Ring“ gerät zur Pleite, und in Saarbrücken lädt man den Dirigenten gar nicht erst ein.

München - In einem Jahr hat er das Antrittskonzert im Gasteig schon hinter sich. Dann ist Valery Gergiev für ein halbes Jahrzehnt Chefdirigent der Münchner Philharmoniker.

Das Orchester der Stadt setzt große Hoffnungen in den wegen seiner Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin umstrittenen Maestro: prestigeträchtige Gastspiele, neues Repertoire und frischer Wind bei den Klassikern.

Doch das könnte schief gegen: Bei den Musikfestspielen Saar wurden zwar die Philharmoniker für ein Polen-Festival engagiert, allerdings lieber mit dem polnischen Dirigenten Michal Nesterowicz. Man habe die Schirmherrschaft des ehemaligen polnischen Regierungschefs Donald Tusk über die Veranstaltungsreihe nicht gefährden wollen, begründete Intendant Robert Leonardy am Montag den Schritt.

Die Münchner Philharmoniker erklären im Unterschied zu Leonady allerdings, dass Gergiev zu keinem Zeitpunkt als Dirigent des Konzerts vorgesehen war. Wer auch immer hier recht haben mag: Über Musik wird kaum noch geredet, wenn dieser Dirigent auftritt. Und wenn, dann neuerdings auch eher unfreundlich.

Derzeit dirigiert Gergiev Wagners „Ring des Nibelungen“ in Birmingham. Trotz stark herabgesetzter Preise blieben viele Plätze leer. Hilary Finch fand die Aufführung in der Londoner „Times“ „entbehrlich“. Sie ärgerte sich über den Maestro, der „mit dem Autopiloten“ durch die Partitur steuere und als Interpret durch Unverbindlichkeit langweile.

Der britische Musikjournalist Norman Lebrecht („Der Mythos vom Maestro“) analysierte die Krise in seinem Blog „Slipped Disk“ unter der Überschrift „Die Marke Gergiev ist schwer angeschlagen“. Der begabteste Dirigent seiner Generation stehe am Scheideweg, meint Lebrecht. Er habe als Chef des London Symphony Orchestra wenig bewegt. Mit schlecht geprobten Aufführungen, für die er schnell einfliege, beschädige er seinen Ruf immer mehr.

Wenn Gergiev künstlerisch weiter abwärts trudle, werde er in Zukunft nur noch von russischen Oligarchen finanzierte Gastspiele in Fernost dirigieren können. Die Nachfrage auf dem europäischen und amerikanischen Markt werde aus politischen wie musikalischen Gründen sinken.

Lebrecht sieht aber auch Grund zur Hoffnung: Gergiev sei ein versierter Geschäftsmann und keineswegs beratungsresistent, wenn es um’s Geld geht. Er wisse, wen er zu fragen habe, wenn sein Nebengeschäft, der Truthahnimport nach Russland, schlecht laufe. Und Sänger mit kriselnden Karrieren habe er stets gut beraten. Deshalb müsse er die eigene Lage analysieren und zuhören, resümiert Lebrecht.

Gergiev rettete im Frühjahr mit nur einer Probe das Gastspiel der Philharmoniker in New York. Aber Improvisieren ist keine nachhaltige Strategie zur Leitung dieses Orchesters. Auch deshalb müssten das Birminghamer „Ring“-Fiasko und die Wirrungen in Saarbrücken für das Orchester der Stadt eine doppelte Warnung sein.

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