Gelehrigkeit und tiefe Einsicht
Liederabende kränkeln. Das Publikum nimmt sie nur mehr zögernd an. Auch Thomas Hampson sieht offenbar einen gewissen Handlungsbedarf: Er ließ sich diesmal nicht von einem Pianisten begleiten, sondern von der Amsterdam Sinfonietta.
Eine kluge Entscheidung: Ein Streichorchester füllte einen großen Raum, den Herkulessaal, klanglich besser als ein einsamer Mann am Klavier, und auch der Sänger durfte mehr Kraft investieren, ohne sich gleich dem Vorwurf der Opernhaftigkeit auszusetzen. Die „Vier ernsten Gesänge“ von Johannes Brahms sind nichts für Hampsons hellen Bariton. Er trug sie vor wie die gelehrte Habilitationsschrift eines Theologen und leistete sich doch bei „O Tod, wie wohl tust du“ einen Kitsch-Effekt, der unangenehm irritierte, aber nicht ergriff.
Überragend dafür die verinnerlichte Einsicht in die Nichtigkeit alles Lebens bei Samuel Barbers „Dover Beach“. Für Franz Schuberts verhaltenen Schmerz und Wolfs bittere Ironie gibt es kaum einen besseren Interpreten als den 58-jährigen Amerikaner. Mitreißend, voller zwielichtigem Charme der „Rattenfänger“ am Ende des Programms. Und der Grauschleier, der im vergangenen Sommer seinen Posa im Salzburger „Don Carlos“ vergilbte, ist auch wieder weg.
- Themen:
- Herkulessaal
- Johannes Brahms