Gedenkkonzert in der Isarphilharmonie: Der Saal bleibt unschuldig

Kammermusik in der Isarphilharmonie? Geht das überhaupt? Allzuviel Gelegenheit, das herauszufinden, gab es ja noch nicht. Da trifft es sich, dass im Gedenkkonzert für den vor zwei Jahren verstorbenen Impresario Georg Hörtnagel gleich vier verschiedene Besetzungen zu hören sind.
Das Publikum kann die Akustik also geradezu systematisch testen. Hier die Ergebnisse: Hervorragend kommt eine einzelne Violine zur Geltung. Gidon Kremer spielt das konzise "Requiem" von Igor Loboda, das den "endlosen Leiden in der Ukraine" gewidmet ist. Abgesehen von der emotionalen Tiefe, die das eindrucksvolle Stück bei Kremer freilegt, legt, erstaunt, wie plastisch der Violinklang noch in der 17. Reihe zu vernehmen ist. Kremers Ton war immer schon sensibel und erscheint hier noch zerbrechlicher. Wenn man aber die Augen schließt, meint man, der Geiger stünde direkt vor dem Sitzplatz in der Mitte des Parketts. Der Komponist, Jahrgang 1956, war anwesend - und sichtlich begeistert von Kremers Deutung.
Winzige Intonationstrübungen
Kommen wir in unserer Testreihe zur Besetzung Streichinstrument und Klavier. In der Sonate für Violine und Klavier Nr. 5 von Mieczyslaw Weinberg erreichen Gidon Kremer und Martha Argerich den Hörer in feiner Ausbalancierung, obwohl die beiden sehr unterschiedlich agieren: Während der Geiger für die traumverlorenen, oft apathisch anmutenden Mitteilungen zuständig ist, gewinnt die Pianistin den doch sehr erratischen Wendungen der Musik die größte Portion an mitteilbarer Sinnhaftigkeit ab. Dass sich zwei Duo-Partner in der Isarphilharmonie möglicherweise bisweilen aus den Ohren verlieren, legt die Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 2 g-moll op. 5 Nr. 2 von Ludwig van Beethoven nahe. Wie schon Kremer bei Weinberg, so unterlaufen auch Mischa Maisky winzige Intonationstrübungen. Das ist kein Wunder, denn der Cellist treibt seinen ohnehin schon ausladenden Ton unaufhörlich ins Espressivo. Martha Argerich und Maisky feuern sich gegenseitig an, doch es ist Maisky, der es übertreibt, wenn er etwa mit dem Fuß aufstampft.
Den größten Anteil an der Akustik hat also das Spiel der solistischen Persönlichkeiten. Das zeigt auch die dritte der Testbesetzungen dieses reichen Programms, das Klaviertrio Nr. 2 e-moll von Dmitri Schostakowitsch. Der Raum transportiert den Gesamtklang des Ensembles auch in entferntere Stuhlreihen.
Der Eindruck ist, dass das Erklingende eher geführt wird, als dass es den Hörer gleichsam von selbst erreicht. Wenn sich also zwischen Violine und Violoncello mal kleine Unwägbarkeiten in der Koordination zeigen und es dann Martha Argerich überlassen bleibt, pianistisch beherzt das Heft in die Hand zu nehmen - dann kann in diesem Falle die Isarphilharmonie nichts dafür.