Geburtstag mit Gergiev

Valery Gergiev feiert den 125. Geburtstag der Philharmoniker mit Mahler und Strawinsky im Gasteig
Robert Braunmüller |
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Ein Monumentalwerk: Mahlers Achte im Gasteig.
Hans Engels Ein Monumentalwerk: Mahlers Achte im Gasteig.

Kein anderer Dirigent käme auf die Idee, vor Mahlers Kollossalschinken noch ein weiteres Werk aufzuführen. Aber Valery Gergievs Idee, vor der „Symphonie der Tausend“ noch Igor Strawinskys Psalmensymphonie zu spielen, erzeugt einen reizvollen Kontrast zwischen der spätromantischen Kunstreligion und der herb erneuerten Spiritualität des damals in Frankreich lebenden Russen.

Allerdings klaffen bei Gergiev öfter Theorie und Praxis auseinander. Obwohl in der Garderobe die Augsburger Domsingknaben auf ihren Auftritt bei Mahler warteten, konnte sich der Dirigent nicht entschließen, dem Wunsch des Komponisten nach einer Besetzung der Sopran- und Altstimmen mit Kindern nachzukommen. So näherte sich Strawinsky, klanglich romantisiert und mit leichtem Fettrand stärker an Mahler an als seiner kristallin-kalten Moderne gut tut.

Im Basislager der Routine

Dann die Achte zum 125. Geburtstag der Münchner Philharmoniker als volle Dröhnung mit dem Philharmonischen Chor und Orfeón Donostiarra aus dem baskischen San Sebastián. Diese singenden Massen wollen organisiert sein. Und es braucht, vor allem im ersten Teil, ein strategisches Gespür für Steigerungen innerhalb der voll entfesselten Gottesekstase in den letzten fünf Minuten des Hymnus „Veni, creator spiritus“. Damit hatte Gergiev seine Probleme. Wenn ein Beckenschlag von drei Becken nicht als geradezu hysterische Übersteigerung herauskommt und die Rückkehr des Hauptthemas nicht zumindest als Vorgipfel eines musikalischen Mount Everest erscheint, hat der Dirigent leider zu wenig geprobt.

Gergiev unternahm nur einen Spaziergang rund um das Basislager der Routine. Da treten die Schwächen dieses Monumentalwerks deutlicher hervor. Mahler war nun mal nicht der Mann des emphatischen Ja, sondern ein Künstler der des Zweifels und der musikalischen Gebrochenheit, die er sich aber in der Achten versagte.

Im Orchestervorspiel zur Schluss-Szene aus „Faust II“ spielten die Klarinetten und Flöten ihr Pianissimo annähernd so laut wie die Oboen ihr Forte. Die acht Gesangssolisten wurden zum Opfer der gefräßigen und schluckenden Gasteig-Akustik. Evgeny Nikitin und Stephen Gould haben bekanntermaßen große und laute Stimmen – in Block H war davon nicht mehr viel zu vernehmen. Und über die vielen Details und Zartheiten des zweiten Teils eilte Gergiev hinweg. Auch hier brachte der Schluss trotz Glocken, Orgel und isoliert postiertem Zusatzgeschmetter keine letzte Steigerung zum großem Weltumarmungsgefühl.

In einer Hauptprobe darf das auch passieren. Um eine solche handelte es sich auch, trotz anschließender Torte und der launigen Festansprache des Kulturreferenten. Denn im Februar wiederholt Gergiev die Aufführung in identischer Besetzung in der Pariser Philharmonie. An diesem prestigeträchtigen Ort wird er sich mehr anstrengen müssen als beim Jubiläumskonzert seines Orchesters im heimatlichen Gasteig

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