Garrett als Paganini: "Hose runter und zack!"
Seine Haare sind - wie die Wimpern - jetzt dunkel gefärbt, ein leichte Backenbart ziert seine Wangen. David Garrett ist für einige Tage in München in den Bavaria Studios, wo er in einem Film von Bernard Rose den Teufelsgeiger Niccolò Paganini (1782 - 1840) spielt. Dafür hat er fünf Kilo abgenommen. Und in der 34 Grad heißen Studiohalle, in der eine Londoner Kulisse aufgebaut ist, hat er im Pelzmantel noch einmal 5 Kilo runtergeschwitzt, wie er verrät. „Paganini“ soll 2013 ins Kino kommen.
AZ: Herr Garrett, sie waren als schnellster Geiger im Guinessbuch, Paganini war der „Teufelsgeiger“. Sie sind zwar schöner als Paganini es war, aber dennoch die Idealbesetzung?
DAVID GARRETT: Es war mein Lebenstraum, diesen Mann zu spielen. Ich habe das Projekt auch betrieben, weil es so viele Parallelen zu meinem Leben gibt.
Worin bestehen die?
Jeder große Instrumentalist hat jemanden im Rücken gehabt: Mozart seinen Übervater, Paganini auch. Und ich hatte großen Druck in der Familie gehabt. Für das Instrument muss man auf so vieles verzichten und mit sieben Jahren den Druck des „Wunderkindes“ aushalten und Solokonzerte geben müssen: Das alles prägt extrem.
Und als Erwachsener?
Erst einmal muss man es überhaupt schaffen, aus der Wunderkindphase rauszukommen. Wie viele hat es gegeben, die mit 17 oder 18 Jahren nicht mehr Star waren, sondern nur noch talentiert. Die werden nervös und kommen psychisch damit nicht mehr zurecht.
Und heute?
Da bin ich oft 300 Tage im Jahr unterwegs. Bei so einem Lebensstil hat man seinen Manager zum Freund, wenn man Glück hat.. Man ist allein, einsam. Und man muss den Konzert-Veranstaltern und Plattenfirmen liefern, Verträge schließen, funktionieren. Das alles war bei Niccolò auch so, nur dass man heute wenigstens noch Telefon oder Skype hat, um Kontakte zu halten. Aber Paganini hat keine Interviews gegeben.
Aber Paganini war – wie Sie - auch eine Art Rockstar der Geige.
Ja, auch da gibt es Parallelen. Er hat gern populäre Stücke aufgegriffen hat und damit virtuose Kunststücke getrieben und Variationen dazu geschrieben hat. Das alles hat Paganini auch gemacht. Ich fühle mich ihm sehr nahe.
Klaus Kinski hat sogar geglaubt, er sei die Reinkarnation des Teufelsgeigers. Haben Sie seinen Film „Kinski Paganini“ gesehen?
Nur zwischen Tür und Angel. Ein extremer Film, aber ich bin kein Filmkritiker. Ich schaue mir ohnehin nicht an, was andere in der Kunst machen, auch in der Musik nicht. Ich kann nur versuchen, meiner Vorstellung gerecht zu werden. Kinski war aber kein Musiker, Und wenn er dann den Geiger markiert, passt das einfach nicht. Bei mir ist der Vorteil, dass ich live spiele. Man sieht, was man hört.
Paganini war ja ein Frauenheld. Im Film gibt es Nacktszene. Wie gehen Sie damit um?
Wir haben mit diesen Szenen angefangen. Da gab’s gar nichts: Hose runter und zack! Ich fand das auch ganz schön im Bett. Nur wurde zu früh abgebrochen. Und die Tattoos wurden beim Dreh abgedeckt. Kollege Niccolò hatte keine.
Sie haben auch die Filmmusik komponiert.
Ja, ich habe vor allem das Gesamtwerk Paganinis studiert, um zu den jeweiligen Bildern und Stimmungen die passende Musik zu finden.
Spielen Sie auf Paganinis Instrument?
Die Guarneri, die Paganini „Cannone“ nannte habe ich bisher nur in New York bei einer Ausstellung gesehen. Mittlerweile ist man in Genua, wo sie aufbewahrt wird, etwas entspannter und lässt sie von Paganini-Preisträgern einmal im Jahr spielen. Ich denke, ich bekomme sie vielleicht auch mal in die Hand. Aber im Film spiele ich auf meiner Stradivari. Die kenne ich, die beherrsche ich und es soll ja geil rüberkommen. Und ich achte darauf, das im Film alles Historische stimmt.
Spielen Sie dann auch auf Darmsaiten?
Klar, damit der Sound stimmt.
Ist die Musik Paganinis mehr Artistik oder mehr Kunst?
Genau in der Mitte. Aber er hat als Erster die Geige aus der Orchester- und Kammermusik gelöst und zu einem Soloinstrument und zur Showattraktion gemacht. Bis heute müssen sich alle Geiger an Paganini messen.
Aber es gibt ja keine Aufzeichnungen seiner Konzerte, nur seine Kompositionen und Konzertberichte.
Deshalb kann man sich nur an der eigenen Leistungsfähigkeit messen und schauen, was die anderen Geiger heute so machen und dann versuchen, vielleicht noch einen Schritt darüber hinauszugehen.
Haben Sie seine Kompositionen für den Film verändert?
Paganini war ein Sparfuchs. Er hat nur die Geigenpartie auskomponiert, die Orchestrierung aber dann anderen überlassen. Und da hat er oft billige Arrangeure gehabt. Das habe ich dann mit einem Freund neu und hochwertiger arrangiert.
Hatten Sie keine Angst, den berühmtesten Geiger der Welt zu spielen?
Angst steht einem immer im Weg. Ehrfurcht ist besser. Ich habe dann die Stücke geiler eingespielt als das, was es bisher gibt.
Haben Sie Schauspielunterricht genommen?
Bernard, mein Regisseur, hat gesagt: „Bloß nicht, das macht alle Natürlichkeit kaputt!“ Aber ich habe in New York einen Method-Acting-Coach gehabt, ohne aber viel daran gearbeitet zu haben.
Und hatten Sie dann Lampenfieber im Kameralicht?
Lampenfieber habe ich nie. Das wäre auch etwas, wo man sich dann nicht mehr kontrollieren kann. Angst ist überhaupt ein schlechter Begleiter für Konzerte. Aber beim Film im Gegensatz zum Konzert kann man ja sagen: Das machen wir jetzt nochmal!
Wollen Sie weiter Filmschauspieler bleiben?
Konzerte bleiben für mich die weit intensivere Erfahrung. „Paganini“ als Film ist ein Ausnahmeprojekt für mich. Ich habe zwei Jahre neben allen Touren und neuem Album jede Sekunde und Energie in das Projekt gesteckt.
Es gibt das Gerücht, in Ihren Hotelzimmern sehe es chaotisch aus.
Das stimmt generell so nicht. Zuhause bin ich sogar pingelig. Aber auf Tournee im Hotel, da gibt es immer etwas, das wichtiger ist: Proben, Interviews, Termine, es ist alles extrem unter Druck. Und im Hotel weiß man ja auch, - auch wenn das nicht schön klingt - dass da jemand hinter einem wieder aufräumt.
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